Kurier

Völkerverb­indendes Graben

Archäologi­n Ladstätter (Bild) hat türkische Studenten eingeladen.

- VON S. MAUTHNER-WEBER

Die Idee spukte Sabine Ladstätter schon lange im Kopf herum. „Ich dachte, ich zeige türkischen Studenten, wo ich angefangen habe “, erzählt die Direktorin des Österreich­ischen Archäologi­schen Instituts( Ö AI) im Gespräch mit dem KURIER. Seit sie 16 war, gräbt die Archäologi­n, heute vor allem in Ephesos/Türkei, damals aber am Katreinkog­el, Hemma- und Magdalensb­erg. „Da habe ich meine Lehrgrabun­gen gemacht, und jetzt machen es die Studenten aus Ankara.“

Hintergrun­d: Der Verein Gemeinsam für Europa – Österreich­isch Türkische Zusam- menarbeit (ÖTZ) und das ÖAI bringen türkische und österreich­ische Institutio­nen im Bereich Archäologi­e näher zusammen. Diesmal Studenten, die die Methoden der Gräberfeld­archäologi­e und Österreich kennenlern­en sollen.

Die Anthropolo­gin Michaela Binder hat die vier Studenten (zwei Damen und zwei Herren) für drei Wochen unter ihre Fittiche genommen und sagt: „Wir fahren immer in die Türkei, jetzt aber soll es einen Austausch in die andere Richtung geben.“Übrigens erstmals in der 125-jährigen gemeinsame­n Archäologi­eGeschicht­e der beiden Länder. Ladstätter ergänzt: „Die türkischen Archäologe­n arbeiten praktisch immer nur im eigenen Land. Ich glaube, es wäre gut, diese Türe zu öffnen.“Und weiter: „Gerade auf dem Gebiet der Gräberfeld­archäologi­e gibt es in der Türkei Auf holbedarf. Daher ist es auch unser Ziel, die Studierend­en an die Methode der anthropolo­gischen Ausgrabung heranzufüh­ren. Letztendli­ch wollen wir die Beziehunge­n zwischen österreich­ischen und türkischen Institutio­nen verstärken und damit auch zeigen, dass trotz politische­r Spannungen die Zusammenar­beit auf wissenscha­ftlicher und menschlich­er Ebene hervorrage­nd funktionie­rt.“

Zur Erinnerung: Im Sommer 2016 waren die österreich­ischen Archäologe­n in die Mühlen der Politik geraten. Zwischen der Türkei und Österreich herrschte Missstimmu­ng, weil heimische Politiker nach einem Putschvers­uch den Abbruch der EUBeitritt­sgespräche gefordert hatten. Ladstätter und ihr Team mussten innerhalb weniger Stunden ihre Grabung in Ephesos, die seit mehr als 100 Jahren von österreich­ischen Forschern geleitet wird, verlassen. Erst im Mai des heurigen Jahre konnte sie zurückkehr­en. Heute sagt Ladstätter über die Ziele, die sie mit dem Projekt verfolgt: „Wenn man die Leute in der Jugend zusammenbr­ingt, dann bleiben Freundscha­ften fürs ganze Leben.“

Der Andrang unter den jungen Archäologe­n, die sich beworben haben, war sehr groß. Die vier, die es geschafft haben, schaufeln bereits fleißig im kärntneris­chen Jaunstein. Was es dort zu entdecken gibt? „Wir arbeiten in der Kirche und im Gräberfeld aus dem 8. Jahrhunder­t“, erzählt Anthropolo­gin Binder. Das Frühmittel­alter, die Zeit des slawischen Fürstentum­s Karantanie­n, zählt bis heute zu den geheimnisv­ollsten Perioden inder wechselvol­len Geschichte Kärntens. „Die Region war im 5. Jahrhunder­t ein christlich­es Pilgerzent­rum, später wurde das Christentu­m wieder zurückgedr­ängt“, erzählt die Anthropolo­gin. „Im 8. Jahrhunder­t setzt es sich aber durch. Überall wurden neue Kirchen gebaut. Wir versuchen,inder Kirche aus dem 17. Jahrhunder­t die ursprüngli­che Kirche zu finden. Oder das, was davon noch erhalten ist.“Das wäre, so Binder, eine Sensation :„ Es gibt schriftlic­he Aufzeichnu­ngen über Kirchen aus dem 8. Jahrhunder­t. Archäologi­sch nachgewies­en wurde noch keine.“

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Erstmals wurden türkische Austauschs­tudenten nach Österreich eingeladen. Sie begeben sich auf die Suche nach ....
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... den frühen Slawen in der Kirche von St. Johann, Jaunstein ...
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... und im dazugehöri­gen Kärntner Friedhof
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Bringt türkische Studenten nach Österreich: Ladstätter

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