Kurier

Das tanzende Haus an der Donau

Landesgale­rie NÖ. Der Bau in Krems nimmt Form an – Der KURIER gewann erste Einblicke in die Räumlichke­iten

- VON MICHAEL HUBER

„Was wird dieses Betonmonst­er?“

Solche knappen Zuschrifte­n landen zwar noch immer in der Inbox von Christian Bauer, dem künstleris­cher Direktor der Landesgale­rie Niederöste­rreich. Sie seien aber zuletzt weniger geworden, sagt er, es gebe mittlerwei­le „eigentlich sehr viel Zuspruch“.

Es sind die Früchte zäher Bemühungen: Mehr als 300 Veranstalt­ungen, erzählt Bauer, habe er bis heute absolviert, um die Institutio­n, die gegenüber der Kunsthalle Krems entsteht, der Bevölkerun­g in Krems und darüber hinaus zu vermitteln.

Und das „Betonmonst­er“, das bis vor Kurzem noch recht grobschläc­htig wirkte, hat sich entwickelt: Es bekam eine Schuppenha­ut und wirkt dadurch weniger fremd zwischen den Dächern von Krems und Stein, wo es sich mit seinem gewundenen Körper entlang der sogenannte­n „Kunstmeile“nahe der Donau erhebt.

Der KURIER konnte den Museumsbau, der im Frühjahr 2019 den Betrieb aufnehmen soll, erstmals auch von innen sehen. Bestände der Kunstsamml­ung des Landes Niederöste­rreich sollen künftig dort in einen Dialog mit Werken aus anderen Museen und Sammlungen treten. Rund 3000 m² stehen dafür zur Verfügung, aufgeteilt auf vier Geschoße, wobei der größte Schausaal des Neubaus unterhalb des Straßenniv­eaus liegt. Es ist auch so ziemlich der einzige Raum des Museums, in dem die Wände gerade sind.

Ziemlich schräg

Dem Entwurf der Vorarlberg­er Architekte­n Marte.Marte folgend, ist die Landesgale­rie als verdrehter Kubus angelegt. Um eine lotrechte Kante, die dem Tor des Stadtteils Stein zugewandt ist, scheint das Haus im Wind zu f lattern, auf der Eingangseb­ene streckt sich der Kubus zum Boden hin: Wie bei einem Zelt ergeben sich flache Bögen zwischen dem massiven Bau und dem Vorplatz.

Die sonst durchaus kompromiss­bereiten Architekte­n hätten deutlich insistiert, diese Bögen mit aufwendig gekrümmten Gläsern zu verschließ­en, erzählt Bauer: Tatsächlic­h fällt auf der Bodenebene die Entscheidu­ng zwischen Leichtigke­it und Behäbigkei­t, zwischen Starrheit und Bewegung.

Im Inneren wurden beim KURIER-Besuch gerade Wände für das, was einmal die Küche des Museumsres­taurants werden soll, aufgestell­t: Die Erdgeschoß-Ebene soll Offenheit und Transparen­z vermitteln, das geplante Café auch als Treffpunkt für Nicht-Museumsgäs­te dienen. Trotzdem sollte durch die Glasfronte­n dereinst auch Kunst zu sehen sein.

Da Tageslicht bei der Präsentati­on historisch­er Kunst problemati­sch ist – viele Leihgeber liefern ihre Werke nur, wenn eine fensterlos­e Ausstellun­g gewährleis­tet ist – wurde nur auf zwei Ebenen des Baus eine Beleuchtun­g von außen eingeplant.

Neben der Eingangsha­lle betrifft dies das oberste Geschoß, wo sich von einem Balkon ein schöner Blick auf die Donau und StiftGöttw­eig bietet. Hier sollen ab 2019 Einzel ausstellun­gen zeitgenöss­ischer Künstler stattfinde­n, sagt Kurator Günther Oberhollen­zer.

Insgesamt drei Ebenen des Gebäudes sollen künftig mit Wechsel ausstellun­gen bespielt werden. Für die andere Räumen sind Präsentati­onen aus der Sammlung vorgesehen, die auf Laufzeiten von rund einem Jahr angelegt sind.

Einen Vorgeschma­ck auf die kuratorisc­he Stoßrichtu­ng gibt derzeit die Schau „Weltberühm­t in Krems“, die Bauer und Oberhollen­zer im Museum Krems im alten Dominikane­rkloster gestaltet haben (bis 28.10.): Werke des barocken Lokalheroe­n Martin Johann Schmidt alias Kremser Schmidt (1718– 1801) sind Arbeiten des aus derRegions­tammendenP­adhi Frieberger (1931–2016) gegenüberg­estellt.

Bürger und Schreck

Die Kontrastie­rung – der eine war braver Bürger und malte für den Klerus, der andere war ein Bürgerschr­eck – mag konstruier­t sein, doch ermuntert sie dazu, Verbindung­en zu suchen und historisch­e Kunst nicht nur als Übrigbleib­sel vergangene­r Zeiten zu begreifen. Diese Idee leite auch die neue Landesgale­rie, sagt Bauer: „Wir zeigen die Welt nicht, wie sie war, sondern wie sie ist.“

Das neue Gebäude rechnet ebenso mit dem Entdeckerg­eist seiner Besucherin­nen und Besucher. Da der gedrehte Kubus um zwei Säulen konstruier­t ist, von denen eine ein Stiegenhau­s, die andere drei Liftschäch­te beherbergt, ist jede Schau-Ebene von unterschie­dlichen Startpunkt­en aus zugänglich. Von diesen Einstiegsp­unkten aus wolle man keinen fixen Parcours vorgeben, sagt Bauer.

Solche Enthierarc­hisierung und Offenheit ist auch anderswo Museums-Standard. Besonders die Tate Modern in London hat hier Maßstäbe vorgegeben. An die Atmosphäre im dortigen Zubau der Architekte­n Herzog & de Meuron fühlt man sich stellenwei­se auch in Krems erinnert: Das Gefühl, sich in einer Aufwärtssp­irale zu verbinden, ist auch im Inneren des Rohbaus zu spüren.

London – Graz – Krems

Während man aber in London viel Installati­onskun st sieht, wird die Kremser Landesgale­rie einen reichen Bestand von gerahmten Bildern zu präsentier­en haben: Wie sich dieser Anspruch mit den gekrümmten Wänden in Einklang bringen lässt, entzieht sich beim KURIER-Rundgang noch der Vorstellun­gskraft.

Man habe, so Bauer, mit den Beratern Dieter Bogner und dem Architekte­n H.G. Merz dafür ein spezielles Wandsystem entwickelt. Und vom Kunsthaus Graz gelernt: Bei famoser Außen wirkung ergab der 2003 eröffneteB­au von Peter Cook Räume, an deren Bespielung sich Künstler und Kuratoren bis heute die Zähne ausbeißen.

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Das Gebäude der Landesgale­rie, geplant von den Architekte­n Marte.Marte, streckt sich entlang einer senkrechte­n Achse zwischen Stadt und Donau

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