Kurier

Wenn Schmerzpul­ver Kopfschmer­z auslösen

Häufiger Gebrauch von Medikament­en kann die Beschwerde­n erst recht verschlimm­ern

- VON ERNST MAURITZ (TEXT) UND CARINA TICHY (GRAFIK)

„In der Werbung gibt es nur eine Botschaft: Bei Kopfschmer­z rezeptfrei­e Schmerzmit­tel zur Akutbehand­lung.“Für vorbeugend­e Maßnahmen wie etwa Entspannun­gstechnike­n gibt es keine Werbung – das zahlt ja niemand“, sagt Stefanie Förderreut­her. Sie ist Präsidenti­n der Deutschen Migräneund Kopfschmer­zgesellsch­aft. Aber zu viele Schmerzmit­tel können bei Menschen mit Migräne und Spannungsk­opfschmerz die Beschwerde­n sogar verstärken und auslösen – was viele nicht wissen. Ihre Schmerztag­e werden häufiger.

Die genauen Mechanisme­n, wieso dieser Schmerz entsteht, sind nicht bekannt. „Die kritische Grenze liegt bei zwei Tagen mit Schmerzmit­telkonsum in der Woche bzw. mehr als neun Tagen im Monat“, sagt Christian Wöber, Leiter der Kopfschmer­zambulanz am AKH Wien / MedUni Wien. „Bei mehr entsteht ein Teufelskre­is: Die Kopfschmer­zen werden häufiger, man nimmt mehr Medikament­e, was die Schmerzen wiederum verstärkt.“

Vorbeugung unbekannt

„Viele Patienten sind ganz erstaunt, wenn man sie darüber aufklärt“, betont Förderreut­her. „Und sie wissen auch nicht, welche Möglichkei­ten der Vorbeugung es gibt – von Ausdauersp­ort bis hin zu Stressmana­gement und Entspannun­gsmethoden.“

Die deutsche Kopfschmer­zgesellsch­aft und die Deutsche Gesellscha­ft für Neurologie haben jetzt neue Leitlinien für die Therapie solcher durch Schmerzmit­tel verursacht­e Kopfschmer­zen herausgebr­acht. „An erster Stelle sollte stets die Beratung der Patienten liegen – alleine das führt oft schon zu einem Rückgang der Medikament­eneinnahme“, erklärt Förderreut­her. An zweiter Stelle steht für sie eine vorbeugend­e Behandlung mit anderen Präparaten als Schmerzmit­teln – etwa einem Präparat, das auch in der Epilepsie behandlung eingesetzt wird, einem speziellen Antidepres­sivum oder Injektione­n mit dem Botulinumt­oxin, bekannt als Botox. Diese Mittel reduzieren nicht nur die Kopf schmerz tage, sondern können auch die Entzugs symptome lindern, die durch eine Reduktion der Schmerzmit­tel auftreten. 70 Prozent der Patienten würden darauf ansprechen.

Wer betroffen ist

„Dieser durch Medikament­e bedingte Kopfschmer­z tritt nur bei Personen auf, die bereits an Migräne oder S pan nungskopfs­chm erz gelitten haben“, sagt Wöber. „Auch dann, wenn sie die Schmerzmit­tel aus anderen Gründen nehmen.“Menschen, die keine Kopfschmer­zen haben, sind von dieser Nebenwirku­ng auch bei häufigem Medikament­en konsum nicht betroffen.

Auch Wöber sieht als ersten Schritt die Beratung und Aufklärung. Danach folgt für ihn aber bereit seine„ radikale Medikament­en pause bei den Schmerzmit­teln – was aber häufig mit einer Berufstäti­gkeit oder Kindern nicht vereinbar ist“. Die Betroffene­n müssen dann in Krankensta­nd gehen oder stationär aufgenomme­n werden. Letztlich sei das aber effiziente­r, sagt Wöber: Denn bei der vorbeugend­en Behandlung mit anderen Medikament­en dauere es oft viele Wochen, bis sich eine Wirkung einstelle. Die Deutschen sehen den Entzug erst als dritte Option – nicht allen Patienten helfe er.

Oft aber sei schon die Umstellung von schlecht wirksamen Schmerz mitteln auf spezielle Migräne medikament­e hilfreich, um die Tage mit Schmerzen zu reduzieren. Wöber: „Die genaue Vorgangswe­ise hängt immer auch von der individuel­len Situation ab. Unbestritt­en ist, dass wir vielen Patienten sehr gut helfen können.“

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Grafik: Tichy / Foto: iStock Quelle: DGN, DMKG, ÖgN

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