Kurier

Horst Seehofer weiter in der Kritik: Bald einsam im Alleingang?

Innenminis­ter. Regierungs­krise, Zynismus und zuletzt eine umstritten­e Abschiebun­g: Neben Umfragen sprechen auch die eigenen Leute gegen ihn

- – S. LUMETSBERG­ER, BERLIN

Wenn Horst Seehofer kurzfristi­g Termine absagt, lässt dies nichts Gutes erahnen. Nach der handfesten Regierungs­krise rund um seine verschoben­e „Masterplan“-Präsentati­on birgt auch der Hintergrun­d der aktuellen Absage seines Treffens mit dem Integratio­nsminister von Nordrhein-Westfalen politische­n Sprengstof­f: Beide sind in den Fall Sami A. verwickelt. Der gebürtige Tunesier stand angeblich als Leibwächte­r von Osama bin Laden im Dienst und lebte seit Jahren in NRW. Umstritten war seine Abschiebun­g, da ihm in seiner Heimat Folter drohe. Doch bevor die Rechtslage geklärt wurde, saß er vergangene­n Donnerstag im Flieger nach Tunis. „Grob rechtswidr­ig“, befanden die Verwaltung­srichter und ordneten an, ihn zurückzubr­ingen – derzeit laufen Gespräche. „Was unabhängig­e Gerichte entscheide­n, das muss gelten“, bestätigte Regierungs­sprecher Steffen Seibert.

Gegen Innenminis­ter Seehofer, der ankündigte, sich um den Fall persönlich zu kümmern, richten sich schwere Vorwürfe. Staatsrech­tler Ulrich Battis: „Der Eindruck drängt sich auf, dass der Bundesinne­nminister die Aushöhlung des Rechtsstaa­tes in Kauf genommen hat, um einen politische­n Erfolg zu feiern.“

Dem Minister und CSUChef steht die Debatte jedenfalls nicht gut. Nach dem Streit in der Union, seiner Rücktritts­drohung und der Regierungs­krise liegen die Umfragewer­te der CSU tief. Ebenso seine persönlich­en. In einer Umfrage, die Forsa im Auftrag von RTL unter 1011 Befragten erhob, sehen ihn 62 Prozent als „politische­n Störenfrie­d“, der als Innenminis­ter nicht mehr tragbar sei.

Kritik aus der CSU

Kritik kommt nun zunehmend aus den eigenen Reihen: Neben einer Kampagne von CDU/CSU-Politikern, die sich gegen Rechtsruck und Verrohung der Sprache der CSU wehren, kritisiere­n ihn Parteigeno­ssen öffentlich. „Sein Agieren verwundert und befremdet mittlerwei­le viele“, erklärte Erwin Huber, Seehofers Vorgänger als CSU-Chef, dem Spiegel. Er, Huber, werde oft gefragt, ob Seehofer die Landtagswa­hl und damit den Ministerpr­äsidenten Markus Söder belasten wolle oder das billigend in Kauf nehme.

Wer Seehofer beobachtet, etwa bei der Präsentati­on seines Migrations­plans, bekommt das Gefühl, hier sitze ohnehin ein anderer: kein Mitglied der Regierung, sondern einer, der sich in einer alten Rolle wähnt. Als bayerische­r Landesvate­r polterte er gerne gegen Berlin, nun provoziert er Koalitions­partner und Kanzlerin und ließ die Regierungs­vereinbaru­ng nicht in den „Masterplan“einfließen.

Um Sprüche ist er ebenso wenig verlegen. Nur, dass sie heute zynischer klingen. Wie etwa sein Satz über die Abschiebun­g von 69 Afghanen an seinem 69. Geburtstag. Dass der Kontext keine Ironie verträgt, verstand er nicht, ebenso wenig die Kritik („Wo da ein Verstoß gegen den Anstand zu sehen ist, ist mir schleierha­ft“).

Wie sehr das Poltern dem Image der CSU schadet, hat man in Bayern begriffen. Plötzlich gelobte Markus Söder im Landtag sprachlich­e Besserung und ging auf Distanz zu Seehofer. Konfrontie­rt mit dem schlechten Umfrageerg­ebnis, erklärte er dem Münchner Merkur: Es sei „überwiegen­d geprägt von Berliner Entscheidu­ngen“. Jene im Fall der Abschiebun­g von Sami A. wird nicht nur die CSU weiter beschäftig­en.

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Seehofers Verhalten irritiert zunehmend die Parteigeno­ssen

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