Kurier

Warum so viele am Airport stranden

Verspätung­en. Unwetter, streikende Fluglotsen und viele hausgemach­te Probleme führen zu Turbulenze­n

- VON SIMONE HOEPKE

Wer diesen Sommer in den Urlaub fliegt, braucht gute Nerven. Die Beschwerde­n häufen sich wie selten zuvor. Andreas S. wartete beispielsw­eise zwei Stunden auf seinen Billigf lug von Berlin nach Wien. „Schuld war eine defekte Batterie und ein fehlendes Fahrzeug beim Zurückfahr­en“, erzählt er.

Karl O. verpasste das WMFinale, weil er drei Stunden auf seinen Rückflug vonTiranaw artete, da erste in Ersatz flieg er von Frankfurt kommenmuss­te. W oder Original flieg er stecken geblieben ist, hat sich nicht bis zu ihm durchgespr­ochen. Keine Seltenheit – immer wieder ärgern sich Passagiere, dass sie ohne Informatio­nen am Flughafen stehen.

Glück im Unglück hatte dagegen eine fünfköpfig­e Familie aus Linz, die ein verlängert­es Wochenende in Kopenhagen verbringen wollte. Das Wochenende fiel kürzer aus als geplant, weil der Flug Linz–Wien gecancelt wurde und die Familie so erst einen Tag später nach Kopenhagen abheben konnte. Claudia P. hat sich beide rAU A beschwert und eine Entschädig­ungvon 250 Euro pro Person gefordert – und bekommen.

Schuld sind die anderen

Die Airlines streiten erst gar nicht ab, dass sie ein heilloses Durcheinan­der im Flugplan haben. Die Schuld schieben sie aber gern weit von sich. Da wären allen voran die Unwetter, die sich häufen. Früher hätten sie erst im Hochsommer für nennenswer­te Probleme am Flughimmel gesorgt, heuer schon früher. Neuerdings auch nicht erst gegen Abend, sondern schon am frühen Nachmittag. Gewitter müssen umflogen werden, das kostet Zeit. Hebt eine Maschine zu spät ab, kommt sie zu spät an. Es verschiebt sich auch der nächste Flug der Maschine, stöhnen die Airline-Manager über den Domino-Effekt.

Dazu kommen die Fluglotsen. In Frankreich sorgten sie mit Streiks für Schlagzeil­en, in Deutschlan­d mit einer offensicht­lichen Personalno­t. Aber auch die Gewerkscha­ft der deutschen Flugsicher­ung zeigt bei der Schuldfrag­e auf jemand anderen. Etwa auf den Billigf lieger Ryanair. Deren Chef hat bei der EU Druck für niedrigere Flugsicher­ungsgebühr­en gemacht und diese hätten eben ihren Preis. Die deutsche Flugsicher­ung musste beim Personal sparen, Investitio­nen in die Technik wurden aufgeschob­en. Die Rechnung bekommen Passagiere in Form von Flugverspä­tungen präsentier­t. Piloten warten fünf, zehn, 15 Minuten auf eine Zuordnung, wieder nimmt eine Verspätung­swelle ihren Lauf, sieht auch AUASpreche­r Peter Thier Probleme im deutschen Luftraum: „Das ist, als würden Sie auf einer freien A1 auf eine Genehmigun­g zum Fahren warten.“

Die Flugsicher­ung AustroCont­rol beteuert derweil, für keine Verspätung­en am Flughimmel verantwort­lich zu sein. Manchmal müssten Gewitter umflogen werden, aber das sei nun einmal höhere Gewalt. In Österreich gebe es auch keinen Personalen­gpass bei den Fluglotsen. Wenn die Crews oder Passagiere den Abflug verspäten, sei das Sache der Airline.

Experten sehen bei den Fluglinien überhaupt viele hausgemach­te Probleme. Denn Airline-Manager kalkuliere­n knapp – sowohl bei Maschinen als auch bei Piloten und Bordperson­al. Und die aggressive Expansions­politik einiger Billigflie­gern ach der Air-Berlin-Pleite rächt sich in Form von Verspätung­en. „Es ist nicht nur in Wien so, dass es sehr ambitionie­rteFlug pläne gibt und dass Airlines sehr schnell gewachsen sind“, sagt Flughafen-WienVorsta­nd Julian Jäger. „Sobald ein Glied aus der Kette rausfliegt, bringt das den Flugplan zum Purzeln.“Am Flughafen Wien kamen im Juni laut eigenen Angaben 73 Prozent der Flieger pünktlich an. Verspätung­en seien vor allem rotationsb­edingt entstanden, heißt es. Aber auch Unwetter in Deutschlan­d und Streiks in Frankreich schlugen sich in der Bilanz nieder.

Entschädig­ungsklagen

Währenddes­sen forcieren Agenturen das Geschäft mit gestrandet­en Passagiere­n. Sie bieten an, Entschädig­ungsansprü­che einzuklage­n und kassieren im Gegenzug eine Provision (ein Viertel der eingeklagt­en Summe). Der Entschädig­ungseintre­iber AirHelp schätzt die Ansprüche österreich­ischer Passagiere auf 47 Mio. Euro. Gestrandet­e können sich aber auch an die staatliche Agentur für Passagier- und Fluggastre­chte (afp) wenden, die Betroffene­n kostenlos hilft.

 ??  ?? Warten auf den Urlaub: Heuer scheint das Chaos am Flughimmel programmie­rt. Airlines und Fluglotsen schieben die Schuld auf den jeweils anderen – und aufs Wetter
Warten auf den Urlaub: Heuer scheint das Chaos am Flughimmel programmie­rt. Airlines und Fluglotsen schieben die Schuld auf den jeweils anderen – und aufs Wetter

Newspapers in German

Newspapers from Austria