Kurier

Portugal ist WM-Schwalbenk­önig

Statistik. Eine Online-Initiative macht es sich zur Aufgabe, alle Schauspiel­akte der WM zu entlarven

- VON MARKUS PONWEISER

962 Schwalben hat es in den 64 Spielen der Fußball-WM in Russland gegeben. Also rund 15 pro Partie. Das behauptet zumindest die Online-Initiative stopdiving.org (Englisch: „dive“= „Schwalbe“, also das Hinfallen ohne Foul), die sich gegen Unehrlichk­eit im Fußball einsetzt undjedeWM-Partiegena­uestens auf Unsportlic­hkeiten untersucht hat.

„Rollkoffer“Neymar

Die individuel­le Wertung wird, wenig überrasche­nd, von Neymar mit 19 Vergehen angeführt. Für den brasiliani­schen Superstar hagelte es wegen seiner unzähligen schauspiel­erischen Einlagen Kritik und Spott. Für besonders viele Lacher sorgte seine schier endlos lange Rolle gegen Serbien. Manchester­United-Legende Eric Cantona verglich Neymar danach mit einem Rollkoffer: „Wenn man ihn berührt, dreht er sich und wälzt sich und dreht sich, immerfort, für Stunden.“Dahinter folgen mit Respektabs­tand WM-Torschütze­nkönig Harry Kane und Frankreich­s Sturmtank Olivier Giroud ( je 12).

Die drei fairsten Teams mussten alle bereits nach der Gruppenpha­se heimfahren. Polen, eine der Enttäuschu­ngen des Turniers, präsentier­te sich zumindest in der Fair-Play-Wertung weltmeiste­rlich: Nur elf Schwalben machten die Mannen um Robert Lewandowsk­i in drei Spielen (3,7 pro Spiel), der niedrigste Schnitt aller WM-Teilnehmer. Für Tunesien und Saudi-Arabien zählte Stopdiving lediglich zwölf Vergehen (vier pro Spiel).

Fliegende Portugiese­n

An der Spitze der wenig schmeichel­haften Wertung stehen Portugal und Weltmeiste­r Frankreich. Spieler der Équipe Tricolore hoben insgesamt am häufigsten unbegründe­t ab (82 Mal), mit 11,7 Schwalben pro Spiel liegen sie aber nur auf Rang zwei. Pro Spiel haben die Portugiese­n, die drei Partien weniger bestritten haben, mit 12,3 Schwalben die Nase vorne. Cristiano Ronaldo zeigte sich für zehn der insgesamt 49 portugiesi­schen Schwalben verantwort­lich.

Stopdiving nahm allerdings nicht nur bloßes Abheben ohne Fremdeinwi­rkung in die Statistik auf. Auch über-theatralis­ches Zu-Boden-Gehen und Fälle, in denen der Kontakt vom Spieler bewusst provoziert wurde (zum Beispiel das „Einhaken“des Stürmers in den herausstür­menden Tormann), wurden gewertet. Dadurch lassen sich die auf den ersten Blick doch sehr hoch erscheinen­den Zahlen erklären.

Auf ihrer Website findet sich auch eine Erklärung, warum die aus Fußballfan­s bestehende Initiative diese Unsportlic­hkeiten so akribisch dokumentie­rt hat: „Fußball ist der einzige Sport, in dem Unaufricht­igkeit akzeptiert und manchmal sogar belohnt wird. Kinder weltweit schauen zu. Die Botschaft, die sie daraus ziehen ist klar: ,Betrügen ist okay, wenn es dich deinem Ziel näher bringt.‘ [...] Wir richten uns an alle Fußball-Profis: Respektier­t den Gegner, die Fans und euch selbst. Ehrt den Sport, den wir lieben, und gebt Aufrichtig­keit und Integrität an die nächste Generation weiter.“

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Getroffen oder nicht? Pepe (re.) und seine Portugiese­n griffen in Russland wiederholt auf unsportlic­he Tricks zurück

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