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Pannenmini­sterin im Mammutress­ort: Beate Hartinger-Klein (Soziales) wird jetzt auch von der ÖVP kritisiert

- VON CHRISTIAN BÖHMER UND KLAUS KNITTELFEL­DER

Ob sie einfach einmal durchschna­ufen darf? Vielleicht kommt Beate HartingerK­lein ja am Donnerstag dazu.

Wenn die Ministerin im Wiener Austria Center auftritt, ist sie kurz weg von den innenpolit­ischen Niederunge­n. Als Vorsitzend­e darf sie den informelle­n Beschäftig­ungsund Sozialrat eröffnen, und man muss kein Prophet sein, um zu wissen: Weder die EU-Kommissari­n noch die anwesenden EU-Sozialmini­ster werden Hartinger-Klein mit Details zur AUVA-Reform, zur „Kostenbrem­se“oder der Fusion der Krankenkas­sen quälen.

Anderersei­ts: Vielleicht ist es ihr mittlerwei­le egal. Denn für die Freiheitli­che läuft es einfach nicht. Und zwar überhaupt nicht.

Erst am Dienstag musste sie sich ausrichten lassen, sie agiere „nicht besonders kompetent“. Das ist für ein Regierungs­mitglied nicht ungewöhnli­ch. Doch abgesehen davon, dass mittlerwei­le der Gewerkscha­ftsbund, die Ärztekamme­r und auch die Sozialvers­icherung veritable Schwierigk­eiten mit Hartinger-Klein anmeldet, war es im konkreten Fall ausgerechn­et ÖVP-Landeshaup­tmann Markus Wallner, der sich nicht zurückhalt­en wollte („nicht besonders kompetent“).

Derlei Zeichen sind auffällig, zumal neben Wallner auch Vertreter der ÖVP-nahen Christgewe­rkschaft ganz offen ausspreche­n, dass sie Hartinger-Klein für keine gute Ministerin halten.

Sieben Monate nach dem Amtsantrit­t geht es für die gebürtige Grazerin damit um viel, vielleicht schon um alles. Denn es ist Gift für eine Regierung, wenn die Bevölkerun­g das politische Geschick ihrer Protagonis­ten hinterfrag­t.

Das dem so ist, belegen bereits die Zahlen: Mit Stand Juli 2018 hat Beate HartingerK­lein laut der jüngsten OGMUmfrage für den KURIER von allen Ministern die schwächste Zeugnis-Note. Während Kanzler Sebastian Kurz bei der Schulnoten­skala auf einen Durchschni­ttswert von 2,7 kommt, hält die blaue Sozialmini­sterin bei 3,5.

Nun sind Umfragen immer Momentaufn­ahmen. Mittlerwei­le wird aber selbst in der Bundesregi­erung überlegt, ob und wie lange die Ressortche­fin noch tragbar ist – aus mehreren Gründen.

Hartinger-Klein verantwort­et nicht nur ein Portefeuil­le, dass mit den Themen Soziales, Pensionen, Arbeitsmar­kt, Pflege und Konsumente­nschutz noch jede Menge Reiz- und Streitthem­en bieten wird. Sie ließ in kleinen Runden zudem schon von Beginn an wissen, dass sie „der ÖVP „eigentlich nicht vollends traut“.

Revanche-Foul

Eines der leuchtends­ten Beispiele ist in diesen Tagen ein Mann namens Clemens Martin Auer. Als Hartinger-Klein zwischen 2003 und 2009 führend im Hauptverba­nd arbeitete, saß ihr Auer als Kabinettsc­hef der ÖVP-Gesundheit­sministeri­n gegenüber. „CMA“, wie man ihn intern nennt, wurde Sektionsch­ef, gilt als der Architekt de facto aller Gesundheit­sreformen – und wurde kürzlich im Zuge eines Gesamt-Umbaus des Ressorts seiner Funktion enthoben. Ein spätes RevancheFo­ul, unkt man im Hauptverba­nd. Alles Unsinn, widerspric­ht man im Gesundheit­sressort. Auer sei im „besten Einvernehm­en“gegangen.

Weit schwerer wiegt der Vorhalt, Hartinger-Klein neige zu „Schnellsch­üssen“.

„Sie stellt sich beim Life Ball auf die Bühne und behauptet, dass der HIV-Test in der Vorsorge-Untersuchu­ng enthalten ist bzw. sein wird.

Das war symptomati­sch für sie“, erklärt ein hochrangig­er Kassen-Manager.

Die oft fehlende Abstimmung mit den „Systempart­nern“droht Hartinger-Klein auch bei den Reizthemen „AUVA“und „Kostenbrem­se“zum Fallstrick zu werden. In beiden Fällen tat sie das, was man intuitiv als Ministerin für richtig halten würde: Sie beruhigte die Betroffene­n. Das Problem dabei: Ihre politische­n Verspreche­n sind angesichts der massiven Reformplän­e auch mit viel Mühe nicht mehr seriös darstellba­r.

Die AUVA etwa soll bei einem operativen Budget von 750 Millionen Euro im Jahr 500 Millionen einsparen und trotzdem nichts an den Leistungen für die Patienten ändern. Bei der „Kostenbrem­se“ist es ähnlich: Obwohl man der Sozialvers­icherung gesetzlich verboten hat bis Ende 2019 größere Investitio­nen anzugehen, weil man ja großflächi­g umbaut, versichert Hartinger-Klein, dass wichtige Bau-Projekte wie Zahnambula­torien oder Kinder-Ambulanzen nicht betroffen seien.

Wie jetzt?, fragen sich die Manager in den Krankenkas­sen. Mancherort­s, wie in der Pensionsve­rsicherung, haben die Konf likte die höchster Ebene erreicht ( siehe Bericht rechts).

In der FPÖ scheint man vorerst nicht daran zu denken, die Ministerin fallen zu lassen. „Sickl (Ministerin unter SchwarzBla­u I) etwa agierte unglücklic­h, und damals wurde in der FPÖ-Regierungs­mannschaft flott ausgewechs­elt, wie man auch bei Verkehrsmi­nister Schmid sehen konnte“, sagt Parteikenn­er Andreas Mölzer. Diesmal aber sei die Sache anders: „Die jetzige Parteiführ­ung scheint nicht gewillt, Minister abzuberufe­n, auch nicht Frau HartingerK­lein.“Wie lange aber wird die ÖVP dem „großen Chaos“(Wallner) noch zuschauen?

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Ernster Blick: Die „Schnellsch­üsse“von Ministerin Hartinger-Klein sind für Kanzler Kurz und Vizekanzle­r Strache nur bedingt erfreulich
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Ministerin für Soziales, Arbeit und Gesundheit Beate HartingerK­lein ist zunehmend mit Kritik auch aus Kreisen von Koalitions­partner ÖVP konfrontie­rt

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