Kurier

Zur Amerika-Premiere eines Hans-Moser-Films

Die Stadt ohne Juden. Wird in San Francisco gezeigt

- georg.markus@kurier.at VON GEORG MARKUS

Das gibt’s nicht alle Tage, dass ein bald 100 Jahre alter österreich­ischer Film in einem 1400 Menschen fassenden Kino in Amerika aufgeführt wird. Und doch: Der 1924 in Wien gedrehte Film „Die Stadt ohne Juden“wird am Sonntag beim Jewish Film Festival in dem 1922 errichtete­n Castro Theatre in San Francisco gezeigt. Über die Auffindung durch das Filmarchiv Austria und die aufwendige Restaurier­ung des Stummfilms, in dem Hans Moser seine erste Hauptrolle spielte, habe ich an dieser Stelle schon berichtet. Und auch darüber, dass der Autor des Drehbuchs, Hugo Bettauer 1925 in Wien ermordet wurde. Vor der US-Premiere traf ich Bettauers Enkelin, die in Seattle lebt.

Erst auf Nachfrage

Eleanor Weston wurde 1940 in Washington geboren und ist Englischle­hrerin. „In meiner Kindheit wurde nie über Hugo Bettauer gesprochen“, sagt sie. „Weder meine Großmutter, die ja seine Witwe war, noch mein Vater haben das Thema angeschnit­ten. Erst als ich nachfragte, was denn mit meinem Großvater passiert sei, erzählte man mir über dessen Ermordung in Wien.“

Der Journalist Hugo Bettauer, der das Buch zu „Die Stadt ohne Juden“verfasst hat, wurde am 26. März 1925, ein halbes Jahr nach der Premiere, in seiner Redaktion in der Wiener Lange Gasse vom Nationalso­zialisten Otto Rothstock erschossen.

„Meine Familie hat nicht darüber geredet, wie auch nicht über das Judentum geredet wurde. Meine Eltern, die 1938 aus Österreich gef lüchtet waren, wollten die Tür zur Vergangenh­eit schließen. Sie haben auch nie wieder Deutsch gesprochen.“

Hugo-Bettauer-Platz

Erst als sie erwachsen war, begann sich Eleanor Weston mit dem Schicksal ihres Großvaters näher zu beschäftig­en. Er war ermordet worden, weil er die Vertreibun­g der Juden in dem Buch und dann im Film „Die Stadt ohne Juden“vorhergese­hen hatte. „Durch den Kanadier Murray G. Hall, der eine Hugo Bettauer-Biografie schrieb, erfuhr ich die Details. Und als ich vor sechs Jahren in Wien war, besuchte ich die ehemalige Redaktion meines Großvaters am heutigen Hugo-Bettauer-Platz, wo er erschossen wurde. Heute befinden sich dort Wohnungen, deren Bewohner uns freundlich durch die Räume führten. Das war schon sehr bewegend für mich“, sagt die Enkelin.

Zuletzt war Eleanor Weston im März in Wien, als der verloren geglaubte und vom Filmarchiv Austria auf einem Pariser Flohmarkt entdeckte Film „Die Stadt ohne Juden“erstmals wieder aufgeführt wurde. „Ich finde den Film genial“, sagt Eleanor Weston. „Auch wenn ich weiß, dass mein Großvater ihn als verharmlos­end empfunden hat.“

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„Die Stadt ohne Juden“; Hans Moser, Hugo Bettauer, Eleanor Weston
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