Kurier

Abschied von der Eitelkeit

Kino. Trine Dyrholm brilliert in „Nico, 1988“als deutsche Sängerin mit Solo-Karriere und Drogenprob­lemen

- VON ALEXANDRA SEIBEL

Nico hieß mit bürgerlich­em Namen Christa Päffgen und war Deutschlan­ds erstes Supermodel. Ihre Schönheit war sensatione­ll, sie hatte einen Gastauftri­tt in Fellinis „La Dolce Vita“und beeindruck­te selbst Andy Warhol. Warhol brachte sie mit Loud Reed und The Velvet Undergroun­d zusammen, deren Songs wie „Femme Fatale“und „All Tomorow’s Parties“von Nicos charakteri­stisch dunkler Stimme und ihrem deutschen Akzent geprägt wurden.

In ihrem späteren Leben hasste Nico nichts mehr, als auf die Muse von Andy Warhol und die Tamburin-Spielerin von The Velvet Undergroun­d reduziert zu werden. Sie verfolgte ihre Solokarrie­re als Sängerin und setzte mit düsteren Songs Meilenstei­ne der Musikgesch­ichte.

„Nico, 1988“(ab Freitag im Kino) vonSu sann aNic chi arelli erzählt von den letzten Lebensjahr end er Sängerin, die im Juli 1988 – erst 49-jährig – verstirbt. Zu diesem Zeitpunkt tourt Nico durch Europa, kämpft mit ihrer Heroinsuch­t und versucht, die Beziehung zu ihre mS ohnAri( den sie mit Alain Delon hatte) zu stabilisie­ren.

Trine Dyrholm, die 46jährige dänische Star-Schauspiel­erin („Die Kommune“), liefert eine großartige Performanc­e als ruppige Nico, der es egal ist, was die Leute von ihr denken. Und: Trine Dyrholm singt alle Songs selbst.

KURIER: Nico beschwert sich in einem Radio-Interview, dass niemand ihre Solo-Karriere als Sängerin wahrnimmt und sie immer nur auf Lou Reed und Andy Warhol angesproch­en wird. Waren Sie mit Nicos Musik vertraut? Trine Dyrholm: Ehrlich gesagt, nein. Ich hätte sie als Journalist­in ebenfalls nach Andy Warhol gefragt.

Sie haben sich aber gut eingearbei­tet, denn Sie singen alle Nico-Songs selbst.

Ja, ich gehe an alle meine Rollen immer sehr körperlich heran. Bei den Dreharbeit­en habe ich gleich mit den Songs begonnen, um ein Gefühl für Nicos Persönlich­keit zu bekommen. Ich habe mir im Internet einige Auftritte und Interviews mit ihr angesehen. Einmal wurde sie gefragt, ob sie irgendetwa­s in ihrem Leben bereue. Darauf antwortete sie: „Nein, außer, dass ich als Frau auf die Welt gekommen bin und nicht als Mann.“

Tatsächlic­h?

Ja, und das erzählt natürlich sehr viel übe reine Person, die sich offenbar in ihrem eigenen Körper nicht ganz wohl fühlte. Es ging mir allerdings auch nicht darum, Nico zu imitieren und zu versuchen, genauso zu singen wie sie. Genauso wenig habe ich mich darum gekümmert, ob ich in den Drogenszen­en alles „richtig“mache und die Spritze korrekt halte. Es ging mir vielmehr darum, ihren inneren Zustand darzustell­en und nachzuvoll­ziehen, in welcher Gefühlslag­e sie sich gerade befindet.

Sie selbst haben ja auch bereits eine Karriere als Sängerin hinter sich, oder?

Ja, ich nahm im Alter von 14 an der dänischen Version des Song Contest teil und belegte den dritten Platz. Das Lied wurde eine großer Hit in Dänemark und machte mich über Nacht berühmt. Ich ging auf Tour und besuchte viele Orte – insofern habe ich tatsächlic­h Erfahrung mit dem Musik-Business. Es war lustig für mich, mit der Nico-Rolle zu diesen Wurzeln zurückzuke­hren.

Die Nico-Stimme ist sehr charakteri­stisch, weil sie nicht „schön“im klassische­n Sinn ist und einen deutschen Akzent hat. Wie schwierig war es für Sie, ihre Songs zu singen?

Ich habe versucht, mich nicht allzu stark von diesen technische­n Details beeindruck­en zu lassen. Stattdesse­n wollte ich mich vom Klang ihres deutschen Akzentes und dem Sound ihrer Stimme inspiriere­n lassen. Ich sehe nicht aus wie Nico, und ich singe nicht wie Nico, sondern ich liefere meine Version von Nico. Allerdings war es tatsächlic­h eine Schwierigk­eit, nicht zu „gut“zu singen. Da musste ich mich ziemlich zurückhalt­en, denn das hätte nicht Nicos Stil entsproche­n.

Ein Herzstück des Film ist Nicos geheimer Konzert-Auftritt im kommunisti­schen Prag. Waren das schwierige Dreharbeit­en für Sie?

Die Szene wurde bei Nacht gedreht und hat mir großen Spaß gemacht. Es gab 200 Komparsen, die jedes Mal, wenn ich die Bühne betrat, euphorisch jubelten. Das gab mir viel Kraft, denn am Ende war ich ziemlich erschöpft. Nico hatte zum Zeitpunkt dieses Konzert kein Heroin zur Hand und fühlte sich elend. Vielleicht war das auch der Augenblick, wo sie beschloss, mit den Drogen aufzuhören und die Beziehung zu ihrem Sohn zu suchen. In jedem Fall ist es ein wichtiger Moment im Film.

Nico hasste ihre eigene Schönheit. Es gibt eine Szene, in der sie sich darüber freut, wie vergleichs­weise hässlich sie geworden ist.

Ja, das kann ich gut verstehen – was man ja auch daran sieht, dass ich diese Rolle übernommen habe. Denn es ist natürlich keine schmeichel­hafte Rolle. Dafür muss man sich schon ein wenig von der eigenen Eitelkeit verabschie­den. Aber das ist okay, das mache ich immer, wenn ich spiele. Eitelkeit verhindert gutes Schauspiel. Ich versuche immer, mich den Situatione­n auszusetze­n und mich zu vergessen. Wenn ich mich dann im Kino sehe, ist das manchmal ein wenig schockiere­nd, und ich denke: „Oh mein Gott, sehe ich wirklich so aus ?“( lacht ). Anderersei­tsmag ich das Im perfekte, und ich mag es, wenn Menschen nicht immer nur erfolgreic­h sind. Das gefällt mir auch so gut an dieser Frau: Sie ist voller Widersprüc­he, und sie will niemandem gefallen.

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 ??  ?? Christa Päffgen (li.), besser bekannt als Nico, bei einem Konzert circa 1970 – und Trine Dyrholm als Nico
Christa Päffgen (li.), besser bekannt als Nico, bei einem Konzert circa 1970 – und Trine Dyrholm als Nico
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 ??  ?? Die Dänin Trine Dyrholm: „Sehe nicht aus wie Nico“
Die Dänin Trine Dyrholm: „Sehe nicht aus wie Nico“

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