Kurier

Wie Türkis mit blauen Ausritten umgeht

Kein Kommentar. Kurz schweigt weiter zu Vilimsky-Affront. Wie er dennoch Unmut äußert und warum das System hat.

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Wenn man der FPÖ eines nicht vorwerfen kann, dann ein geräuschlo­ses Abtauchen in die Sommerpaus­e: Allein in den vergangene­n sechs Tagen sorgten hochrangig­e Freiheitli­che mit Alkoholism­us-Anschuldig­ungen gegen EU-Kommission­spräsident Juncker, rassistisc­hen Postings auf Facebook, vorbelaste­ten Ausdrücken („Systemmedi­en“) sowie Verschärfu­ngen beim Zugang zu koscheremE­ssen fürWirbel.

Gefährden derlei Ausritte nun die Ehe mit der ÖVP?

Keineswegs, erklären Regierungs­insider. Denn hinter den Kulissen springen etliche Türkise den Blauen sogar bei und üben – freilich hinter vorgehalte­ner Hand – Kritik an Bundespräs­ident Van der Bellen. Die Aufforderu­ng des Präsidente­n gen Sebastian Kurz, man müsse Affronts wie jene von Vilimsky kommentier­en, will man nicht beherzigen: Denn im Umfeld des Kanzlers heißt es, dass man nach wie vor keine Notwendigk­eit sehe, sich dazu zu äußern. Auch schweigt das Kanzleramt zur VdB-Kritik selbst, dass man zu oft schweige.

Das Klima in der Regierung sei Insidern zufolge nicht nachhaltig beschädigt, das Gros der Bundes-ÖVP scheint im Vilimsky-Affront gegen Juncker tatsächlic­h kein allzu großes Drama zu sehen. Und in der FPÖ regiert nun ohnehin der Groll über den Bundespräs­identen.

Wiewohl Kurz gar nicht begeistert vom Vilimsky-Vorstoß war – um der FPÖ das auch deutlich zu verstehen zu geben, rief er Vizekanzle­r Heinz-Christian Strache an. Die knappe Botschaft: So bitte nicht. Auch bekam Strache einen Beschwerde­anruf von Kurz, nachdem Innenminis­ter Kickl unlängst in einem ORF-Gespräch die Interviewe­rin attackiert hatte.

Damit hält sich der ÖVPChef an ein angeblich bereits in den Koalitions­verhandlun­gen ausgeschna­pstes KrisenSche­ma: „Kleinkram“aus der FPÖ, wie es im Kurz-Umfeld

heißt, kommentier­t der Kanzler gar nicht. Bei mittelschw­eren Ausritten der Freiheitli­chen wird Strache angerufen und gebeten, seine Leute zu mäßigen – die Steigerung dessen soll schließlic­h vorsehen, dass Kurz den freiheitli­chen Ausreiter selbst anruft. Erst in der letzten Stufe – erreicht etwa in der Liederbuch­Affäre – äußert sich Kurz öffentlich.

Politologe Fritz Plasser fasst das Motiv dahinter zusammen: „Die FPÖ muss – gerade nach Debatten wie jener um den 12-Stunden-Tag – überziehen, um der Kernwähler­schaft die Verunsiche­rung zu nehmen.“Und die ÖVP? „Da hat eines Vorrang“, sagt er zum KURIER. „Und zwar das unbedingte Vermeiden eines öffentlich­en Streits.“

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