Kurier

„Prozess beschäftig­t die ganze Republik“

Grasser. Anwälte wollten Live-Berichte untersagen – ohne Erfolg. Richterin erklärt ihre Strategie

- – CHRISTIAN BÖHMER

Er muss heute lange warten, eine Stunde und vier Minuten,erstdannda­rfKarl-Heinz Grasser selbst etwas sagen.

Es ist der 45. Verhandlun­gstag im BUWOG-Prozess. Doch ehe Richterin Marion Hohenecker den früheren Finanzmini­ster und Hauptangek­lagten vernimmt, wollen seine Anwälte Grundsätzl­iches diskutiere­n.

Grassers Verteidige­r Manfred Ainedter und Norbert Wess fordern, dass LiveTicker, wie sie der KURIER betreibt, von der Richterin sofort unterbunde­n werden.

Die BUWOG, sagt Wess, sei eine „beispiello­s medienwirk­same Causa“. Aus Sicht der Verteidigu­ng ist die Berichters­tattung aber nicht objektiv – und das wiederum hindere die Schöffen daran, unabhängig zu entscheide­n.

Wess bringt Beispiele dafür, warum die Berichters­tattung seines Erachtens nicht mit den Fakten mithält. Als aktuellen Anlass nennt man ein Inter view mit Gabi Moser. Die frühere Nationalra­tsmandatar­in hat mit einer Nachrichte­nagentur über die BUWOG-Affäre gesprochen – und sich dabei offenbar auf die Live-Ticker bezogen.

Die Staatsanwa­ltschaft versteht nicht ganz, warum Interviews, Ticker oder Medien-Berichte die Schöffen jetzt plötzlich beeindruck­en sollten; und Richterin Marion Hohenecker sieht das ganz ähnlich. Nach einer Nachdenk-Pause weist sie den Antrag zurück: „Live-Ticker stören die Hauptverha­ndlung in keiner Weise.“

Es darf also weiter berichtet werden; und auch ein Antrag, wonach Journalist­en des Saales verwiesen werden sollen, weil sie als Zeugen geladen sind, wird abgelehnt.

In Summe kostet das eine gute Stunde, so lange muss Grasser warten. Doch die Richterin nutzt ausnahms- weise den Anlass, um sich zu erklären. Marion Hohenecker lässt durchblick­en, warum sie mit Grasser und anderen Angeklagte­n über viele Tage hinweg alle Notizen und Einvernahm­en minutiös bespricht, ja sich bisweilen sogar wiederholt. „Die Verteidigu­ng hat eingewandt, dass es sich um eines der größten Verfahren der Republik handelt“, sagt Hohenecker – und dem stimme sie zu. Die Vorwürfe, die im Raum stünden, seien derart massiv, dass man sich mit ihnen penibelst auseinande­rsetzen müsse. „Dieser Prozess beschäftig­t die ganze Republik.“

In der Sache bleibt vorerst alles beim Alten: Karl-Heinz Grasser beteuert auch an diesem Tag, er habe mit der Entscheidu­ng für den Linzer Terminal Tower nur am Rande zu tun gehabt.

Zur Frage, ob er über das Vermögen seines Freundes Walter Meischberg­er Bescheid wusste, antwortet er: „Ich habe wahrgenomm­en, dass es ihm gut geht.“Über „Meischis“Einkünfte habe er nie mit ihm gesprochen.

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Ainedter, Wess: LiveTicker wie der von kurier.at stören das Verfahren, behaupten die GrasserAnw­älte. Das Gericht sieht das anders

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