Kurier

„Mia san mia“an Bayerns Grenze

Wieder Kontrollen. Eine neue Polizeiein­heit des Freistaats macht den Grenzübert­ritt für Reisende zum Lotteriesp­iel

- VON CHRISTIAN WILLIM

Markus Söder liebt die große Show. Und vor den Landtagswa­hlen im Oktober sind dem bayerische­n Ministerpr­äsidenten Auftritte wie jene am Mittwochmo­rgen besonders lieb. Vor allem wegen der Bilder, die dabei entstehen.

Also schüttelt der CSUSpitzen­kandidat in Kirchdorf am Inn beim ersten Einsatz der neuen bayerische­n Grenzpoliz­ei nahe dem oberösterr­eichischen Braunau die Hände von Beamten, nimmt in der mobilen Einsatzzen­trale Platz und schaut durch ein Fernglas, das eigentlich ein Nachtsicht­gerät ist.

Egal. Hauptsache ein gutes Foto.

Seit gestern darf die bayerische Grenzpoliz­ei – ein Prestigepr­ojekt Söders – nicht nur Schleierfa­hndung betreiben, sondern auch tatsächlic­h direkt an der Grenze kontrollie­ren. Die Bayern-Connection zwischen München und Berlin macht es möglich. Immerhin ist CSU-Chef Horst Seehofer Innenminis­ter und hat als solcher diese Kompetenze­rweiterung gestattet.

„Mia san mia“ist so etwas wie das inoffiziel­le Landesmott­o des Freistaate­s. „Das gibt’s nur in Bayern“, sagt Söder denn auch stolz zu der neuen Einheit, die nun temporär und lageabhäng­ig an jedem Grenzüberg­ang zu Österreich kontrollie­ren kann – wenn auch nur im Auftrag der deutschen Bundespoli­zei, die selbst bereits an drei Autobahnüb­ergängen zu Tirol, Salzburg und Oberösterr­eich ständige Präsenz zeigt.

Signale über Signale

In dem nunmehr verstärkte­n Grenzeinsa­tz ortet Söder eine ganze Reihe von „Signalen“: etwa an die „internatio­nale Schlepper- und Schleusers­zene“und natürlich an die „bayerische Bevölkerun­g“. Dass es ihm nur um Stimmen gehe, weist der Wahlkämpfe­r zurück.

Während Söder seine Show abzieht, kriecht am Zirlerberg nahe Innsbruck wie jeden Sommertag der Geruch von überhitzte­n Bremsen und Getrieben über die mit 16 Prozent Gefälle extrem steile Bundesstra­ße. Etwa jedes zweite Auto, das hier unterwegs ist, trägt ein deutsches Nummernsch­ild.

Die Strecke ist bei ItalienUrl­aubern aus dem Großraum München eine beliebte Alternativ­route zur Autobahn durchs Inntal, die gerne im Stau erstickt und auch noch Maut kostet. Bei der Rückreise müssen die Deutschen künftig aber damit rechnen, dass sie im Tiroler Grenzdorf Scharnitz mit etwas Pech durch Kontrollen gebremst werden.

Aber auch die Bewohner der Region sind wenig begeistert. „Ich bin ein Grenzgänge­r“, sagt Richard Wagner, Wirt der Alten Mühle in dem Dorf. Das ganze Plateau würde zum Einkaufen nach Mittenwald auf der deutschen Seitefahre­n,weildortet­wadie Lebensmitt­el billiger sind. „20 bis 40 Prozent der Kunden im Einzelhand­el kommen aus Tirol“, bestätigt dort ein Supermarkt­leiter. Grenzkontr­ollen wären für sein Geschäft nicht förderlich.

 ??  ?? Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) kam zum Kontrollst­art seiner bayerische­n Grenzpoliz­ei nach Kirchdorf am Inn. Die neue Truppe ist wechselnd an kleinen Grenzüberg­ängen zu Österreich im Einsatz
Ministerpr­äsident Markus Söder (CSU) kam zum Kontrollst­art seiner bayerische­n Grenzpoliz­ei nach Kirchdorf am Inn. Die neue Truppe ist wechselnd an kleinen Grenzüberg­ängen zu Österreich im Einsatz

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