„Mia san mia“an Bayerns Grenze
Wieder Kontrollen. Eine neue Polizeieinheit des Freistaats macht den Grenzübertritt für Reisende zum Lotteriespiel
Markus Söder liebt die große Show. Und vor den Landtagswahlen im Oktober sind dem bayerischen Ministerpräsidenten Auftritte wie jene am Mittwochmorgen besonders lieb. Vor allem wegen der Bilder, die dabei entstehen.
Also schüttelt der CSUSpitzenkandidat in Kirchdorf am Inn beim ersten Einsatz der neuen bayerischen Grenzpolizei nahe dem oberösterreichischen Braunau die Hände von Beamten, nimmt in der mobilen Einsatzzentrale Platz und schaut durch ein Fernglas, das eigentlich ein Nachtsichtgerät ist.
Egal. Hauptsache ein gutes Foto.
Seit gestern darf die bayerische Grenzpolizei – ein Prestigeprojekt Söders – nicht nur Schleierfahndung betreiben, sondern auch tatsächlich direkt an der Grenze kontrollieren. Die Bayern-Connection zwischen München und Berlin macht es möglich. Immerhin ist CSU-Chef Horst Seehofer Innenminister und hat als solcher diese Kompetenzerweiterung gestattet.
„Mia san mia“ist so etwas wie das inoffizielle Landesmotto des Freistaates. „Das gibt’s nur in Bayern“, sagt Söder denn auch stolz zu der neuen Einheit, die nun temporär und lageabhängig an jedem Grenzübergang zu Österreich kontrollieren kann – wenn auch nur im Auftrag der deutschen Bundespolizei, die selbst bereits an drei Autobahnübergängen zu Tirol, Salzburg und Oberösterreich ständige Präsenz zeigt.
Signale über Signale
In dem nunmehr verstärkten Grenzeinsatz ortet Söder eine ganze Reihe von „Signalen“: etwa an die „internationale Schlepper- und Schleuserszene“und natürlich an die „bayerische Bevölkerung“. Dass es ihm nur um Stimmen gehe, weist der Wahlkämpfer zurück.
Während Söder seine Show abzieht, kriecht am Zirlerberg nahe Innsbruck wie jeden Sommertag der Geruch von überhitzten Bremsen und Getrieben über die mit 16 Prozent Gefälle extrem steile Bundesstraße. Etwa jedes zweite Auto, das hier unterwegs ist, trägt ein deutsches Nummernschild.
Die Strecke ist bei ItalienUrlaubern aus dem Großraum München eine beliebte Alternativroute zur Autobahn durchs Inntal, die gerne im Stau erstickt und auch noch Maut kostet. Bei der Rückreise müssen die Deutschen künftig aber damit rechnen, dass sie im Tiroler Grenzdorf Scharnitz mit etwas Pech durch Kontrollen gebremst werden.
Aber auch die Bewohner der Region sind wenig begeistert. „Ich bin ein Grenzgänger“, sagt Richard Wagner, Wirt der Alten Mühle in dem Dorf. Das ganze Plateau würde zum Einkaufen nach Mittenwald auf der deutschen Seitefahren,weildortetwadie Lebensmittel billiger sind. „20 bis 40 Prozent der Kunden im Einzelhandel kommen aus Tirol“, bestätigt dort ein Supermarktleiter. Grenzkontrollen wären für sein Geschäft nicht förderlich.