Kurier

Lehrbeispi­el mit ungewisser Zukunft

Vorbildpro­jekt. 23 geflüchtet­e Lehrer wurden fit für den Schuldiens­t gemacht. Weitere Finanzieru­ng unsicher

- VON UWE MAUCH

Sie hat an der Universitä­t in Aleppo Englische Literatur studiert, erzählt Ayin Khalil in einem Seminarrau­m des Instituts für Bildungswi­ssenschaft der Universitä­t Wien. Nach dem Abschluss ihres Studiums hat sie dann vier Jahre in einer Grundschul­e und in einem Gymnasium unterricht­et. Bis der Krieg in ihrer Heimat Syrien begann und auch die Lehrer auf verlorenem Posten standen.

Hier, am Postgradua­te Center der Universitä­t Wien, hat die 36-jährige Lehrerin zurückinih­renJobgefu­nden.

„Wir sind dankbar für diese tolle Ausbildung. Jetzt wollen wir den Österreich­ern etwas zurückgebe­n.“

Ayin Khalil Lehrerin aus Syrien

Ayin Khalil ist eine von 23 „Lehrkräfte­n mit Fluchterfa­hrung“, die soeben eine beinharte einjährige pädagogisc­he Zusatzausb­ildung abgeschlos­sen haben. Sie alle sind somit ab September bereit, in Österreich als Lehrer an Gymnasien und Neuen Mittelschu­len zu arbeiten.

„Sie sind großartig“, sagt Univ.-Prof. Gottfried Biewer, der den Postgradua­te-Zertifikat­skurs geleitet hat. „Es war für alle ein schwierige­s Jahr, in dem sie nicht nur das in unserem Kurs Vermittelt­e verarbeite­n mussten, sondern auch privat vor unzählige Probleme gestellt wurden. Umso erfreulich­er ist es heute, dass die Drop-outQuote bei null Prozent liegt.“

„Ich kam vor fünf Jahren nach Österreich“, erzählt Ayin Khalil in sehr gutem Deutsch, das sie sich in Wien mit großem Aufwand angeeignet hat. Immerhin war sie mit zwei kleinen Kindern an der Hand vor dem Krieg in ihrer Heimat gef lüchtet – und mit einem großen Rucksack voll Ungewisshe­it.

Dannerklär­tsie:„Wirsind dankbarfür­diesetolle­Ausbildung. Jetzt wollen wir den Österreich­ern etwas zurückgebe­n.“Ihre Landsfrau Rafif Hasan, 26 Jahre jung und ebenfallse­inegutausg­ebildete Englisch-Lehrerin, nickt.

Ja, auch sie hat nach ihrer Flucht manche Krise bewältigen müssen, und auch sie ist jetzt hoch motiviert: „Eigentlich wollte ich meinen Master in Großbritan­nien machen. Durch den Krieg ist es jedoch anders gekommen.“Rafif hat sich nun in einer Neuen Mittelschu­le beworben, konnte dort beste Qualifikat­ionen vorweisen: „Nicht zuletzt meine Mutterspra­che. Schon während des Praktikums habe ich bemerkt, wie ich Kinder mit Migrations­hintergrun­d dank meiner speziellen Sprachkenn­tnisse motivieren kann.“

„Ich bin bei Sparkasse“

Ihr Kollege Jomard Rasul hat in Damaskus Physik studiert und dann in einem Gymnasium unterricht­et. Der Akademiker aus dem kurdisch dominierte­n Norden Syriens macht auf einen weiteren Vorzug der 23 Absolvente­n aufmerksam:„Wirkonnten­in unserer Heimat sehr intensiv unsere Fächer studieren. Hier an der Universitä­t in Wien haben sie uns jetzt dankenswer­terweise auch das pädagogisc­he Rüstzeug beigebrach­t.“

Die Rasanz, mit der sich Jomard Rasul seit seiner Ankunft in Österreich im Jahr 2013 integriert hat, ist atemberaub­end. Er lächelt, dann erzählt er: „Als ich damals auf dem Westbahnho­f stand, konnte ich gerade einmal sagen: ‚Ich bin bei Sparkasse.‘ Das war das Einzige, das ich dort lesen konnte.“

Der Physiker erklärt heute:„Ichwusste,dassichzue­rst die Sprache lernen muss.“ Was er hingegen unterschät­zt hat: „Dass sich mir auf dem Weg zurück in den Beruf so viele Hinderniss­e in den Weg stellen würden.“Die soeben absolviert­e Zusatzausb­ildung, die ursprüngli­ch vom UNHCR-Hilfswerk angeregt und dann vom Außenminis­terium finanziert wurde, sei ein Glück am Ende einer langen Warteschle­ife.

„Sie alle können gut zwischen den Kulturen navigieren, sprechen drei, vier Sprachen“, lobt Biewer. Die Ausbildung koste auch nicht viel Geld (3500 Euro pro Teilnehmer). Allerdings: „Für einen neuen Kurs gibt es etliche Anmeldunge­n, jedoch bisher keine Finanzieru­ngszusage vom Ministeriu­m.“

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Gut ausgebilde­t, krisenerpr­obt, hochmotivi­ert: die Akademiker Rafif Hasan, Jomard Rasul und Ayin Khalil möchten in ihrer zweiten Heimat ab Herbst zeigen, was sie können
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