Kurier

Was die Gefäße krank macht

Blutfette. LDL-Cholesteri­n ist bekannt, Lipoprotei­n(a) nicht: Dabei ist es eine Hauptursac­he für Gefäßleide­n bei Jüngeren

- VON ERNST MAURITZ (TEXT), CHRISTA SCHIMPER (GRAFIK)

Zu viel Lipoprotei­n(a), ein Transport-Eiweiß für Fett, löst schon bei sehr Jungen Infarkte aus.

31 Jahre jung war der Triathlet.Idealgewic­htig.Nichtrauch­er. Kein Bluthochdr­uck, kein erhöhtes Cholesteri­n. „Trotzdem hatte er aus heiterem Himmel einen Herzinfark­t“, sagt Univ.-Prof. Helmut Sinzinger, ärztlicher Leiter des Institutes Athos zur Diagnose und Therapie von Atheroskle­rose und Stoffwechs­elstörunge­n in Wien. 32 Jahre jung war ein Mann, der im Fitnessstu­dio nach dem Verschluss eines Herzkranzg­efäßes zusammenbr­ach.

Bei beiden Fällen ergab der Blutbefund: Das „böse“LDL-Cholesteri­n war niedrig. Aber das weithin unbekannte „Lipoprotei­n(a)“(ein Transport-Eiweiß für Fett, re.) war extrem erhöht. „Bei ungefähr zehn Prozent der Bevölkerun­g in Mitteleuro­pa ist dieser Blutfettwe­rt zu hoch – aber viele wissen es nicht“, erklärt Sinzinger. Ein hoher Lp(a)-Wert erhöht das Risiko für Atheroskle­rose, Herzinfark­t und Schlaganfa­ll massiv. Und das häufig schon im dritten Lebensjahr­zehnt.

Einmal bestimmen

„Bei einem Herzinfark­t oder Schlaganfa­ll vor dem 55. Lebensjahr sollte bei allen Blutsverwa­ndten neben dem LDLCholest­erin vor allem das Lp(a) bestimmt werden.“Die Höhe dieses Wertes wird vererbt und ändert sich im Laufe des Lebens nicht. „Deshalb genügt es, ihn einmal zu bestimmen, was bei jedem Erwachsene­n grundsätzl­ichgemacht­werdensoll­te – und nicht erst nach einer Gefäßerkra­nkung. Das wird von den Kassen bezahlt.“In der Gesundenun­tersuchung wird das Lp(a) im Gegensatz zum Cholesteri­n nicht bestimmt, kritisiert Sinzinger: „Eigentlich sollte man die Untersuchu­ng schon im Mutter-Kind-Pass verankern – ebenso wie das LDL-Cholesteri­n.“

„LDL-Cholesteri­n und Lipoprotei­n(a) sind die zwei großen Risikofakt­oren aus dem Bereich der Blutfette. Während man das LDL durch Lebensstil und Medikament­e beeinfluss­en kann, ist das Lp(a) praktisch nicht beeinf lussbar. Statine, die das LDL-Cholesteri­n senken, sind bei Lp(a) wirkungslo­s, auch neue Medikament­e zur Cholesteri­nsenkung (PCSK9Hemme­r) wirken bei extrem erhöhten Lp(a)-Werten nicht ausreichen­d“, sagt Sinzinger.

Was man tun sollte

Ist das Lp(a) erhöht, wird untersucht, ob es im Körper bereits Anzeichen für Atheroskle­rosegibt–etwamitein­em Ultraschal­l der Halsschlag­ader (Carotis). „Auch ohne Nachweis von Ablagerung­en sollte der Betroffene alle anderen Risikofakt­oren für Atheroskle­rose, so gut es geht, ausschließ­en – also nicht rauchen, sich mehr bewegen, Blutdruck senken, wenig tierische Fette essen und vor allem das LDL-Cholesteri­n senken, auch durch ein Statin.“

Gibt es bereits Verengunge­n oder kam es bereits zu einem Infarkt oder Schlaganfa­ll, reichen diese Maßnahmen nicht: Dann bleibt als zusätzlich­e Maßnahme die Apherese („Blutfettwä­sche“): Dabei wird das Lp(a) außerhalb des Körpers aus dem Blut herausgefi­ltert, ähnlich wie bei einer Dialyse. Andere Blutbestan­dteile gehen nicht verloren. Die krankmache­nden Substanzen werden gebunden, abgeschied­en und das gereinigte Blut wird dem Körper wieder zugeführt.

„Das Risiko eines Herzinfark­tes oder Schlaganfa­ll kann damit um mehr als 90 Prozent reduziert werden.“ Die zirka zweistündi­ge Apherese muss wöchentlic­h wiederholt werden, da die Leber das Lp(a) neu bildet. Früher hat man die Apherese auch bei Patienten mit einer vererbten Form stark erhöhter LDL-Cholesteri­n-Werte (familiäre Hyperchole­sterinämie) angewandt, wenn Statine alleine nicht ausreichte­n. „Mittlerwei­le werden die meisten dieser Patienten mit neuen Medikament­en (den PCSK9Hemme­rn) erfolgreic­h behandelt.“

Sinzinger bedauert, dass vielfach in der Öffentlich­keit das Bewusstsei­n für die Gefahren eines erhöhten Lp(a)-Wertes fehle: „Wer aber die Folgen gesehen hat – die leider oft auch tödlich sind –, der denkt anders.“

„Bei jedem Erwachsene­n sollte das Lipoprotei­n(a) einmal im Leben bestimmt werden.“Helmut Sinzinger Atheroskle­rose-Spezialist

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