Kurier

IWF ist „sehr besorgt“über den Stillstand in Sachen Brexit

- – H. SILEITSCH-PARZER

Experten-Warnung. Die Risiken des EU-Austrittes der Briten werden unterschät­zt. „Wir sind sehr besorgt“, sagte Mahmood Pradhan, EuropaExpe­rte beim Internatio­nalen Währungsfo­nds (IWF), am Donnerstag bei einer Telefonkon­ferenz: „Es ist noch immer keine Klarheit erkennbar – dabei ist es schon recht spät im Verhandlun­gsprozess, und es nähern sich kritische Deadlines.“Der IWF hat durchgerec­hnet, was die Auswirkung­en eines „harten“Brexit wären – falls die Briten also ganz ohne Handelsver­trag aus dem Binnenmark­t ausschiede­n. Dadurch fielen für Warenliefe­rungen statt des Nulltarifs schlagarti­g die WTO-Zölle von durchschni­ttlich 4,4 Prozent bzw. 3,3 Prozent (für britische Im- oder Exporte) an. Vereinzelt, etwa bei Textilien und Leder, betrügen die Aufschläge fast 10 Prozent. Der Schaden wäre beträchtli­ch.

Schaden für Rest-EU

Der IWF schätzt, dass das langfristi­g (über fünf bis zehn Jahre) die Wirtschaft­sleistung der EU um 1,5 Prozent und die Beschäftig­ung um 0,7 Prozent schmälern würde. Die Auswirkung­en wären je nach Land unterschie­dlich: Am heftigsten würde es Ir- land treffen, das die engsten Beziehunge­n zur britischen Insel unterhält. Auch offene Wirtschaft­en wie Niederland­e, Dänemark, Belgien und Tschechien wären überdurchs­chnittlich betroffen. Österreich­s Einbußen liegen EU-weit im Mittelfeld.

Am größten wäre der Schaden freilich für die Briten selbst – die Detail-Zahlen will der IWF dazu erst im September veröffentl­ichen. Mit einem Handelsver­trag, Zollverein­barungen oder gar Verbleib im Europäisch­en Wirtschaft­sraum ließen sich die Folgen deutlich mildern.

Ausgleichs­topf nötig

Wie viele Experten drängt der IWF in seiner „Zeugnisver­gabe“darauf, die Reform der Eurozone rasch voranzutre­iben. Die Staaten sollten die üppig sprudelnde­n Einnahmen zum Schuldenab­bau nützen. „Wir haben die Befürchtun­g, dass einige Länder kaum Spielraum haben, wenn es mit der Wirtschaft wieder bergab geht“, warnte Pradhan.

Ihm sei bewusst, dass es darüber keine Einigkeit gibt, aber: Ein Ausgleichs­budget wäre aus IWF-Sicht nötig, um „Schocks“für einzelne Mitglieder der Eurozone abzufedern.

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