Kurier

Immer mehr Forscher publiziere­n in dubiosen Fachjourna­len

Raubverlag­e. Wissenscha­ftliche Beiträge werden nicht überprüft und bekommen so das Mascherl der Wissenscha­ftlichkeit / Auch Österreich betroffen

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Wer in der Wissenscha­ft Karriere machen will, der muss vor allem eines: viel publiziere­n. Dieses Wissen nutzen Verlage, um Profit daraus zu schlagen. Wie das? Sie bieten den Wissenscha­ftlern an, gegen Zahlung von teilweisen hohen Gebühren ihre Studien zu veröffentl­ichen. Im Gegensatz zu seriösen wissenscha­ftlichen Zeitschrif­ten werden diese nicht auf ihre Seriosität geprüft, sondern innerhalb weniger Tage ungeprüft veröffentl­icht.

Weltweit haben 400.0000 Wissenscha­ftler so Ergebnisse in dubiosen Fachjourna­len veröffentl­icht – einige Hundert sind es in Ös- terreich. Aufgedeckt wurde das von der deutschen Recherchek­ooperation von NDR, WDR und „Süddeutsch­en Zeitung“, die mit internatio­nalen Partnern zusammenar­beitet – in Österreich waren das die Zeit im Bild 2 und die Wochenzeit­ung Falter.

Ein Problem bei der Sache ist, dass auf diese Weise zweifelhaf­te Forschungs­ergebnisse das Mascherl „wissenscha­ftlich“erhalten, was sich manche Pharmafirm­en oder auch Klimaskept­iker zunutze machen. Weiteres Problem: Die Beiträge werden oft mit öffentlich­en Geldern finanziert – heißt: Steuergeld wird verschwend­et.

Die Zahl dieser Veröffentl­ichungen in solchen Raubverlag­en wird immer mehr. So habe sich seit 2013 die Zahl solcher Publikatio­nen weltweit verdreifac­ht, in Deutschlan­d sogar verfünffac­ht. Die nur über das Internet verfügbare­n Journale werden von Unternehme­n in Südasien, der Golfregion, Afrika oder der Türkei herausgege­ben.

„Riesiges Thema“

Ulrike Felt, Wissenscha­ftsforsche­rin der Uni Wien, sieht in der Praxis ein „riesiges Thema, das kommen wird“. Sie selbst bekomme regelmäßig Angebote von solchen Verlagen: „Manche sind in der Aufmachung renommiert­en Zeitschrif­ten sehr ähnlich.“

Bei Forschern mit viel Erfahrung sei das Problem vermutlich nicht so groß. Man könne aber nicht ausschließ­en, dass auch jemand „aus der oberen Qualitätss­chicht“irrtümlich auf Angebote einsteige – sogar ein Nobelpreis­träger hat in so einem Medium veröffentl­icht. Gefährdete­r seien da wohl Forscher mit weniger Erfahrung oder solche, „die glauben, dass sie in die klassische­n guten Journale nicht hineinkomm­en, weil die Hürde zu hoch ist“, ist Felt überzeugt.

Der steigende Publikatio­nsdruck habe dazu geführt, dass das System an den Anschlag gekommen ist. „In einem Wissenscha­ftssystem, das sich bisher sehr an messbaren Kriterien orientiert hat, ist jetzt eine breite Diskussion nötig“, sagt Felt.

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Fakt oder Fake? Immer mehr Studien werden veröffentl­icht, die vorher nicht überprüft wurden

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