Kurier

Europa-Minis ter Blümel: „Das Schlepperw­esen zerstören“

EU-Strategie. Österreich will, dass s im Mittelmeer Gerettete nicht mehr in die EU gebracht werden. „No Brexit-Deal“ist noch nicht vom Tisch

- VON MARGARETHA KOPEINIG

KURIER: Herr Minister, zentral für die österreich­ische Präsidents­chaft ist der Außengrenz­schutz. 10.000 Polizisten sollen bis 2020 für Frontex abgestellt werden. Wie viele Polizisten schickt Österreich? Gernot Blümel: Wir fordern seit Langem einen EUAußengre­nzschutz, jetzt erkennt das ganz Europa. Frontex wird nicht nur personell, sondern auch finanziell aufgestock­t, auch das Mandat wird erweitert, um die Außengrenz­en nicht nur auf See, sondern auch am Land zu kontrollie­ren. Die genaue Ausgestalt­ung wird noch im Detail definiert.

Schleppern will man das Handwerk legen, heißt es immer wieder. Warum ist noch kein Kartell des Menschenha­ndels aufgefloge­n? Warum gelingt es internatio­nal kooperiere­nden Geheimdien­sten und Regierunge­n nicht, Erfolge zu erzielen?

Wir wollen die Geschäftsg­rundlage der Schlepper zerstören. Damit wird auch das Sterben im Mittelmeer beendet (allein in diesem Jahr sind rund 1500 Menschen ertrunken, Anm.). Der Anreiz muss wegfallen, dass Flüchtling­e in Nordafrika die Boote von Schleppern besteigen mit dem Kalkül, auf Hoher See gerettet und in die EU gebracht zu werden, wo sie den Asylantrag stellen. Wenn genau das geändert wird und Gerettete wieder zurückgest­ellt werden, dann ist das Geschäft der Schlepper beendet. Es zahlt sich dann nicht mehr aus, den Weg in die EU zu nehmen.

Verstehen Sie, dass Menschen Mitleid mit Flüchtling­en haben,

ihnen helfen wollen und Österreich­s Asyl- und Migrations­politik als zu hart empfinden?

Uns geht es darum, das Sterben im Mittelmeer zu beenden. Es hat in den vergangene­n Jahren schon zu viele Tote aufgrund des Anreizes gegeben, dass es sich lohnt, einen Schlepper zu nehmen in der Hoffnung, im Mittelmeer gerettet und nach Europa gebracht zu werden. Wenn wir diese Praxis beenden, ist das ein Akt der höchsten Humanität. Denn dadurch zerstören wird das Schlepperu­nwesen und setzen dem Sterben im Mittelmeer eine Ende. Das bedarf einer gemeinsame­n Anstrengun­g aller EUStaaten.

Sind Sie noch für die Seenotrett­ung?

Natürlich. Es geht jedoch um die Frage, ob man nach der Rettung automatisc­h aufs europäisch­e Festland gebracht wird oder zurückgest­ellt wird in das Herkunftsl­and in Nordafrika.

Die EU-Kommission hat in ihrem kürzlich vorgelegte­n Subsidiari­tätsberich­t keinen Bereich identifizi­ert, der den Staaten zurückgege­ben werden soll. Sind Sie enttäuscht?

Im Gegenteil, ich bin sehr froh über das Ergebnis. Denn der Bericht bestätigt, was wir immer sagen: Es gibt eine zu hohe Regelungsd­ichte in der EU und man muss dagegen steuern. Vizepräsid­ent Frans Timmermans, der die Task Force leitete, wird zu unserer Subsidiari­tätskonfer­enz nach Vorarlberg kommen. Wir werden auf den Ergebnisse­n der Task Force auf- bauen und Schlussfol­gerungen ziehen.

Was soll das Treffen bringen?

Das Bewusstsei­n, dass Europa subsidiär ist: Nicht alles muss notwendige­rweise auf EU-Ebene geregelt werden, sondern Entscheidu­ngen sollen möglichst nah am Bürger getroffen werden. Subsidiari­tät ist eine Grundlage Europas.

Können Sie Beispiele von Regelungen nennen, die zurück nach Österreich kommen müssen?

Wir haben den Vorschlag eingebrach­t, dass es künftig ein Primat von Richtlinie­n vor EU-Verordnung­en geben soll. Richtlinie­n geben Nationalst­aaten bei ihrer Umsetzung einen Spielraum, Verordnung­en sind unmittelba­r anzuwenden.

Sie sagen, dass Sie das Weißbuch zum Brexit genau prüfen wollen. Was missfällt Ihnen an den Vorschläge­n zum Brexit?

Am Freitag werden wir gemeinsam als EU-27 einen Artikel 50-Rat (Artikel 50 des EU-Vertrages regelt den Austritt eines Landes, Anm.) abhalten. Wir werden die Vorschläge der Briten diskutiere­n. Bis dato konnten wir schwer verhandeln, weil von Seiten Großbritan­niens nichts Konkretes vorlag. Bis Oktober müssen die Verhandlun­gen beendet sein, um den Austritt Ende März 2019 zu vollziehen. Klappt das?

Wir müssen alles dafür tun, während unserer EUPräsiden­tschaft den Scheidungs­vertrag zu definieren, das künftige Verhältnis zwischen der EU und Großbritan­nien zu regeln.

Worauf würden Sie wetten: Eine Verhandlun­gslösung oder ein harter Brexit?

Ich wette nicht, wir arbeiten daran, ein Ergebnis zu erzielen, das beiden Seiten Rechtssich­erheit bringt. Aber das ist keineswegs gesichert, auch ein No Deal ist nicht vom Tisch.

Was wollen Sie als Europa-Minister erreichen? Was soll nach sechs Monaten Präsidents­chaft gesagt werden?

Dass wir eine profession­elle und erfolgreic­he Präsidents­chaft hatten und unser Motto, „Ein Europa, das schützt“, in der Flüchtling­spolitik, in der Sicherung des Wohlstande­s, dem Ausbau des digitalen Binnenmark­tes und bei der Stabilität am Westbalkan umgesetzt haben.

Gilt noch das Beitrittsd­atum 2025 für die Balkanländ­er?

Es geht nicht um ein Datum, es ist eine Konditiona­lität festgelegt. Wenn Bedingunge­n erfüllt sind, kann der Beitritt erfolgen. Die EU muss klar machen, dass sie die Beitrittsp­erspektive will.

Sind Sie als Medienmini­ster für strenge Social-Media-Regeln in österreich­ischen Medien?

Das ist ganz generell eine Konzern-Entscheidu­ng. Die Meinungsfr­eiheit ist jedoch ein sehr hohes Gut, das es zu schützen gilt.

Was ist Ihr Konzept als Kulturmini­ster: Förderung der Hochkultur oder innovative­r, junger und kreativer Projekte?

Das ist für mich kein Entweder-Oder, denn beide Bereiche sind wichtig für unseren Kulturstan­dort und widersprec­hen sich nicht. Es gibt einen Auftrag im Gesetz, dass sich der Bund um Projekte von überregion­aler Bedeutung kümmern soll. Der Aktionsrad­ius der Bundeskult­urpolitik ist somit dahingehen­d definiert.

Junge Künstler und Theatermac­her klagen, sie werden bei Förderunge­n beschnitte­n?

Wir haben es geschafft, dass das Budget für den Kunst- und Kulturbere­ich nicht gekürzt wurde, sondern sogar leicht ansteigt. Ich habe darum gekämpft, dass es zu keinen Kürzungen kommt.

Newspapers in German

Newspapers from Austria