Sommerfeeling in der Stadt
Wie Menschen den öffentlichen Raum zurückerobern
Die Geschichte vom Sommer geht so. Mann und Frau kaufen rollende Schuhe um zusammen zu rollen. Sie rollen und können nicht halten und stürzen und versinken im heißen Asphalt.
Mit schrulligen Beschreibungen huldigte Peter Licht schon 2003 in seinem Lied „Die Geschichte vom Sommer“dem Treiben auf der Straße während der heißen Jahreszeit in der Stadt.
Geschichten vom Sommer gibt es viele. Zum Beispiel darüber, dass sich die Menschen ihre Freiräume in der Stadt zurückholen.
Obenohne,dasGesicht gen Himmel gerichtet und die kurze Hose noch aufgekrempelt, liegt Ron auf seinem Handtuch. Allerdings nicht auf einer der zahlreich vorhandenen (und unbesetzten) Holzbänke, sondern auf dem Asphalt. „Auf den Bänken zieht man sich so leicht Holzspäne ein“, sagt Ron.
Um dem urbanen Sonnenbad zu frönen, kommt der 25-Jährige oft auf die Wientalterrasse bei der Pilgramgasse. „Ich mag das hier, den Lärm von den Autos und der U-Bahn. Man ist mitten in der Stadt“, sagt Ron. Am Nachmittagister–abgesehen von einem schmusenden Touristenpärchen – der einzige auf der Terrasse. Aber am Abend, wenn die Sonne untergeht, treffen dort junge Leute ihre Freunde, trinken ein Dosenbier oder mischen sich einen Spritzer in ihrem mitgebrachten Becher. „Die Leute halten sich wieder öfter draußen auf “, sagt Ron. „Vielleicht sind sie draufgekommen, dass man von Facebook und Instagram allein auch nicht leben kann.“
Wikinger im Stadtpark
Tatsächlich scheinen die Zeiten, in denen die Städter den öffentlichen Raum nur eingeschränkt nutzen durften, vorbei zu sein (siehe Kasten). Bes- tes Beispiel dafür ist der Donaukanal. Tagsüber wird trainiert, abends setzen sich die Städter am Ufer zusammen. In der Innenstadt beginnen sich die Wiener am späten Nachmittag auf den Plätzen und in den Parks unter die Touristen zu mischen.
Eggert (27), Hallgrimur (30) und Lukaš (26) werfen Stöckchen in der StadtparkWiese. Nein, nicht einem Hund, sondern auf den König – den König von Kubb. Kubb ist ein Geschicklichkeitsspiel, bei dem eine Mannschaft versucht, die Holzklötze („Kubb“ist Schwedisch für „Klotz“, Anm.) der anderen Mannschaft umzuwerfen. Der König, der in der Mitte steht, darf erst zum Schluss umfallen. Eggert und Hallgrimur sagen, Kubb ist ein „Wikinger-Spiel“. Die beiden sind Isländer. Und Isländer, sagen sie, sind Wikinger. Wikinger trinken übrigens Aperol Spritz – aus Nutellagläsern und mit frisch geschnittener Orange.
Skater am Karlsplatz
Eine paar Gehminuten weiter am Karlsplatz sitzen Karolini (23) und Karina (25) mit dem Laptop auf dem Asphalt. Die beiden bereiten eine Tanzstunde vor. „Hier ist immer was los“, sagt Karina.
Tim (17), der heuer maturiert hat, und Liam Che (16), der seine Ferien genießt, sitzen am Brunnen vor der Karlskirche, die Skateboards vorihnen.LiamChebeißtvon einem ganzen Camembert ab, danach isst er noch zwei Bananen. Die beiden machen gerade Pause, seit zwei Stunden skaten sie auf den Stiegen und Rampen vor der Kirche auf und ab. Skater haben schon immer den öffentlichen Raum erobert, auch am Karlsplatz: „Es ist chillig, einfach“, sagt Tim.
Oder wie Peter Licht es formulierte:
Halleluja, das ist der Sommer. Im Asphalt sitzen und versinken. Skateboards zeugen, Augäpfel piercen.