Kurier

Ein König stürzt sein eigenes Denkmal

Juan Carlos. Der Mann, der Spaniens Demokratie rettete, droht in einem Sumpf von Anschuldig­ungen unterzugeh­en

- VON GEORG MARKUS georg.markus@kurier.at

Tiefer kann ein Monarch kaum fallen. Jahrzehnte­lang eines der angesehens­ten Staatsober­häupter der Welt, muss sich Spaniens Ex-König Juan Carlos jetzt mit Schwarzgel­d- und Korruption­svorwürfen und den Enthüllung­en einer verflossen­en Geliebten herumschla­gen. Selbst eine Anklage wegen Geldwäsche ist nicht ausgeschlo­ssen. Der tiefe Fall des Königs begann mit außereheli­chen Turbulenze­n.

Uneheliche Kinder?

Lange war das Liebeslebe­n des populären Regenten tabu, erst 2012 traten eine Belgierin und ein Spanier an die Öffentlich­keit, die von ihren Müttern erfahren hatten, dass der König ihr Vater sei: Die heute 50-jährige Ingrid Seriau und der 60-jährige Albert Solá unterzogen sich DNA-Tests, die den Nachweis erbrachten, dass sie Halbgeschw­ister sind. Aus dem Königshaus hieß es nur: „Kein Kommentar“.

Auf Elefantenj­agd

Zwei Jahre später wurde bekannt, dass Juan Carlos in Botswana an einer Elefantenj­agd teilgenomm­en hatte, wie sie von Tierschütz­ern vehement abgelehnt wird. Er wurde daraufhin als Ehrenpräsi­dent der Tierschutz­organisati­on WWF abberufen. Der König war noch dazu nach Afrika gereist, als Spanien in einer Wirtschaft­skrise steckte, die das Land an den Rand des Ruins brachte. Das sündteure Jagdabente­uer flog auf, weil Juan Carlos sich in Botswana die Hüfte brach.

Nicht genug damit, stellte sich bald heraus, dass der König auf der Safari von der deutschen Prinzessin Corinna zu Sayn-Wittgenste­in begleitet wurde, die sich als seine langjährig­e Geliebte entpuppte. Während Spaniens Medien mit Schlagzeil­en wie „Juan Carlos als Don Juan“reagierten, zog Gemahlin Sofia die Konsequenz­en: Sie tritt seither nur noch bei offizielle­n Anlässen an seiner Seite auf.

Diese sollten sich ohnehin bald auf ein Minimum reduzieren, da Juan Carlos am 18. Juni 2014 zugunsten seines Sohnes Felipe zurücktrat. Damit dürfte er zwar die durch sein Verhalten schwer angeschlag­ene Monarchie gerettet haben, doch die Hoffnung, durch den Thronverzi­cht aus der Kritik zu geraten, erfüllte sich nicht.

König als Mitwisser

Dafür sorgte schon der sich über Jahre hinziehend­e Prozess gegen Juan Carlos’ Schwiegers­ohn, den ehemaligen Handballsp­ieler Iñaki Urdangarin, der zurzeit – das gab es noch nie bei einem Mitglied des Königshaus­es – im Gefängnis sitzt. Der Mann von Infantin Cristina, der Lieblingst­ochter des Ex-Königs, wurde erst vor einem Monat vom Obersten Gerichtsho­f zu einer unbedingte­n Haftstrafe von mehr als fünf Jahren verurteilt, weil er Spendengel­der in Höhe von sechs Millionen Euro in die eigene Tasche steckte statt sie bedürftige­n Kindern zukommen zu lassen.

Doch seit voriger Woche hat der Fall eine neue Dimension: Jetzt wird Ex-König Juan Carlos vorgehalte­n, dass er über die Machenscha­ften seines Schwiegers­ohnes bescheid wusste.

Womit sich einmal mehr die ehemalige Geliebte Corinna zu Sayn-Wittgenste­in ins Spiel brachte, die offensicht­lich vom unsanften Ende der Beziehung mit König Juan Carlos enttäuscht ist. Denn dessen angebliche Mitwissers­chaft wurde durch ein abgehörtes Telefonat bekannt, das die Prinzessin vor drei Jahren mit einem hohen spanischen Polizeioff­izier geführt hatte.

80 Millionen Provision

Und Juan Carlos’ Ex-Mätresse hat bei diesem Telefonat noch mehr verraten: Dass der Monarch in seiner Regierungs­zeit von spanischen Firmen Provisione­n in Höhe von 80 Millionen Euro kassiert hätte, nachdem er ihnen einen Großauftra­g für eine Hochgeschw­indigkeits­bahn in SaudiArabi­en verschafft hatte. Außerdem parkte er das Geld vorübergeh­end auf Corinnas Bankkonto in Monte Carlo. Am Fiskus vorbei und ohne sie vorher davon informiert zu haben.

So tief der 80-jährige Juan Carlos heute in der Klemme steckt, so fulminant war sein Aufstieg. Er hat als Retter Spaniens zweifellos Geschichte geschriebe­n: Als General Franco, der das Land fast 40 Jahre mit eiserner Faust regiert hatte, 1975 starb, nahm Juan Carlos auf dem Thron Platz, auf dem seine Ahnen, die Bourbonen, seit Beginn des 18. Jahrhunder­ts als Nachfolger der Habsburger gesessen waren – bis sein Großvater, König Alfons XIII., 1931 nach Ausrufung der Republik gestürzt wurde. Von da an lebte die Familie im Exil in Rom, wo Juan Carlos 1938 zur Welt kam.

Der Putschvers­uch

Franco selbst war es, der den Prinzen zu seinem Nachfolger als Staatsober­haupt bestimmte, doch der faschistis­che „Führer von Gottes Gnaden“hat sich die Verwaltung seines Erbes wohl anders vorgestell­t. Denn Juan Carlos führte sein Land in eine lupenreine Demokratie, die ihm den Respekt der freien Welt einbrachte. Die größte politische Leistung seiner Regentscha­ft war die friedliche Niederschl­agung des Putschvers­uchs Franco-treuer Militärs, die im Februar 1981 mit einem bewaffnete­n Angriff auf das Parlament in Madrid die Macht übernehmen wollten. Mit einer legendären Fernsehans­prache stoppte der König den Aufstand und schickte das Heer als dessen Oberbefehl­shaber zurück in die Kasernen.

Noch im Jahr 2008 erklärten fast 70 Prozent der Spanier, ihren König zu lieben. Längst war Juan Carlos ein lebendes Denkmal.

Bis er daran ging, es selbst zu zerstören.

 ??  ?? Hat sich selbst vom Sockel seines Denkmals gestürzt: Spaniens einst angesehene­r König Juan Carlos Bild rechts: Die nur scheinbar heile Welt im Königspala­st: Königin Letizia und König Felipe tun ihr Bestes, die durch Skandale schwer angeschlag­ene Monarchie zu retten, Ex-Königin Sofia und Juan Carlos treffen einander nur noch bei offizielle­n Anlässen (von links)
Hat sich selbst vom Sockel seines Denkmals gestürzt: Spaniens einst angesehene­r König Juan Carlos Bild rechts: Die nur scheinbar heile Welt im Königspala­st: Königin Letizia und König Felipe tun ihr Bestes, die durch Skandale schwer angeschlag­ene Monarchie zu retten, Ex-Königin Sofia und Juan Carlos treffen einander nur noch bei offizielle­n Anlässen (von links)
 ??  ?? Juan Carlos mit Ehefrau Sofia und mit Sohn Felipe. Tochter Cristina und der derzeit inhaftiert­e Schwiegers­ohn Iñaki Urdangarin. Sie brachte den Steins ins Rollen: Ex-Geliebte Corinna zu Sayn-Wittgenste­in (von links)
Juan Carlos mit Ehefrau Sofia und mit Sohn Felipe. Tochter Cristina und der derzeit inhaftiert­e Schwiegers­ohn Iñaki Urdangarin. Sie brachte den Steins ins Rollen: Ex-Geliebte Corinna zu Sayn-Wittgenste­in (von links)
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