Ein König stürzt sein eigenes Denkmal
Juan Carlos. Der Mann, der Spaniens Demokratie rettete, droht in einem Sumpf von Anschuldigungen unterzugehen
Tiefer kann ein Monarch kaum fallen. Jahrzehntelang eines der angesehensten Staatsoberhäupter der Welt, muss sich Spaniens Ex-König Juan Carlos jetzt mit Schwarzgeld- und Korruptionsvorwürfen und den Enthüllungen einer verflossenen Geliebten herumschlagen. Selbst eine Anklage wegen Geldwäsche ist nicht ausgeschlossen. Der tiefe Fall des Königs begann mit außerehelichen Turbulenzen.
Uneheliche Kinder?
Lange war das Liebesleben des populären Regenten tabu, erst 2012 traten eine Belgierin und ein Spanier an die Öffentlichkeit, die von ihren Müttern erfahren hatten, dass der König ihr Vater sei: Die heute 50-jährige Ingrid Seriau und der 60-jährige Albert Solá unterzogen sich DNA-Tests, die den Nachweis erbrachten, dass sie Halbgeschwister sind. Aus dem Königshaus hieß es nur: „Kein Kommentar“.
Auf Elefantenjagd
Zwei Jahre später wurde bekannt, dass Juan Carlos in Botswana an einer Elefantenjagd teilgenommen hatte, wie sie von Tierschützern vehement abgelehnt wird. Er wurde daraufhin als Ehrenpräsident der Tierschutzorganisation WWF abberufen. Der König war noch dazu nach Afrika gereist, als Spanien in einer Wirtschaftskrise steckte, die das Land an den Rand des Ruins brachte. Das sündteure Jagdabenteuer flog auf, weil Juan Carlos sich in Botswana die Hüfte brach.
Nicht genug damit, stellte sich bald heraus, dass der König auf der Safari von der deutschen Prinzessin Corinna zu Sayn-Wittgenstein begleitet wurde, die sich als seine langjährige Geliebte entpuppte. Während Spaniens Medien mit Schlagzeilen wie „Juan Carlos als Don Juan“reagierten, zog Gemahlin Sofia die Konsequenzen: Sie tritt seither nur noch bei offiziellen Anlässen an seiner Seite auf.
Diese sollten sich ohnehin bald auf ein Minimum reduzieren, da Juan Carlos am 18. Juni 2014 zugunsten seines Sohnes Felipe zurücktrat. Damit dürfte er zwar die durch sein Verhalten schwer angeschlagene Monarchie gerettet haben, doch die Hoffnung, durch den Thronverzicht aus der Kritik zu geraten, erfüllte sich nicht.
König als Mitwisser
Dafür sorgte schon der sich über Jahre hinziehende Prozess gegen Juan Carlos’ Schwiegersohn, den ehemaligen Handballspieler Iñaki Urdangarin, der zurzeit – das gab es noch nie bei einem Mitglied des Königshauses – im Gefängnis sitzt. Der Mann von Infantin Cristina, der Lieblingstochter des Ex-Königs, wurde erst vor einem Monat vom Obersten Gerichtshof zu einer unbedingten Haftstrafe von mehr als fünf Jahren verurteilt, weil er Spendengelder in Höhe von sechs Millionen Euro in die eigene Tasche steckte statt sie bedürftigen Kindern zukommen zu lassen.
Doch seit voriger Woche hat der Fall eine neue Dimension: Jetzt wird Ex-König Juan Carlos vorgehalten, dass er über die Machenschaften seines Schwiegersohnes bescheid wusste.
Womit sich einmal mehr die ehemalige Geliebte Corinna zu Sayn-Wittgenstein ins Spiel brachte, die offensichtlich vom unsanften Ende der Beziehung mit König Juan Carlos enttäuscht ist. Denn dessen angebliche Mitwisserschaft wurde durch ein abgehörtes Telefonat bekannt, das die Prinzessin vor drei Jahren mit einem hohen spanischen Polizeioffizier geführt hatte.
80 Millionen Provision
Und Juan Carlos’ Ex-Mätresse hat bei diesem Telefonat noch mehr verraten: Dass der Monarch in seiner Regierungszeit von spanischen Firmen Provisionen in Höhe von 80 Millionen Euro kassiert hätte, nachdem er ihnen einen Großauftrag für eine Hochgeschwindigkeitsbahn in SaudiArabien verschafft hatte. Außerdem parkte er das Geld vorübergehend auf Corinnas Bankkonto in Monte Carlo. Am Fiskus vorbei und ohne sie vorher davon informiert zu haben.
So tief der 80-jährige Juan Carlos heute in der Klemme steckt, so fulminant war sein Aufstieg. Er hat als Retter Spaniens zweifellos Geschichte geschrieben: Als General Franco, der das Land fast 40 Jahre mit eiserner Faust regiert hatte, 1975 starb, nahm Juan Carlos auf dem Thron Platz, auf dem seine Ahnen, die Bourbonen, seit Beginn des 18. Jahrhunderts als Nachfolger der Habsburger gesessen waren – bis sein Großvater, König Alfons XIII., 1931 nach Ausrufung der Republik gestürzt wurde. Von da an lebte die Familie im Exil in Rom, wo Juan Carlos 1938 zur Welt kam.
Der Putschversuch
Franco selbst war es, der den Prinzen zu seinem Nachfolger als Staatsoberhaupt bestimmte, doch der faschistische „Führer von Gottes Gnaden“hat sich die Verwaltung seines Erbes wohl anders vorgestellt. Denn Juan Carlos führte sein Land in eine lupenreine Demokratie, die ihm den Respekt der freien Welt einbrachte. Die größte politische Leistung seiner Regentschaft war die friedliche Niederschlagung des Putschversuchs Franco-treuer Militärs, die im Februar 1981 mit einem bewaffneten Angriff auf das Parlament in Madrid die Macht übernehmen wollten. Mit einer legendären Fernsehansprache stoppte der König den Aufstand und schickte das Heer als dessen Oberbefehlshaber zurück in die Kasernen.
Noch im Jahr 2008 erklärten fast 70 Prozent der Spanier, ihren König zu lieben. Längst war Juan Carlos ein lebendes Denkmal.
Bis er daran ging, es selbst zu zerstören.