Kurier

Harmonisch­es Salzburg-Duett

Helga Rabl-Stadler und Markus Hinterhäus­er leiten die Festspiele

- VON GEORG LEYRER UND THOMAS TRENKLER

KURIER: Frau Präsidenti­n, es gab einen Schauspiel­direktor, der Ihnen vor 20 Jahren an die Gurgel wollte

(Frank Baumbauer, Anm.). Mit Markus Hinterhäus­er scheinen Sie sich prächtig zu verstehen.

Helga Rabl-Stadler: Also, das trifft mich schon, dass Sie mich an etwas aus dem Jahr 1998 erinnern! Ein Teil meines Erfolges ist, dass ich in der Gegenwart lebe. Die Gegenwart ist mit diesem Intendante­n hinreißend!

Gibt es nie eine Meinungsve­rschiedenh­eit? Der Intendant wird vielleicht das Budget strapazier­en wollen – und muss in Schranken gewiesen werden. Rabl-Stadler: Sieben Jahre lang war ich auch für die Finanzen zuständig. Ich weiß gar nicht, wie ich diese Zeit überlebt habe. Zum Glück haben wir seit April 2017 Lukas Crepaz, der in einer künstleris­chen Familie aufgewachs­en ist, als kaufmännis­chen Direktor. Ich muss Sie daher enttäusche­n: Zwischen uns drei hat es noch nie einen Krach gegeben. Markus Hinterhäus­er: Ich folge dem Wirklichke­its- und Möglichkei­tssinn von Robert Musil. Ich bewege mich nicht im luftleeren Raum, sondern kann recht gut einschätze­n, was realistisc­h ist. Daher habe ich bis jetzt noch keinerlei Einschränk­ungen erfahren. Das, was man in Salzburg machen kann, ist ohnedies vergleichs­los großzügig. Jetzt muss ich wieder die Präsidenti­n loben … Rabl-Stadler: Das kannst ruhig machen! Damit ich das wieder vergesse, was vor 20 Jahren passiert ist. Hinterhäus­er: Dann ist ja dieses Interview eine halbe Therapiesi­tzung! Wenn man die Funktion einer Präsidenti­n auch an ihrer Solidaritä­t und Loyalität misst, kann ich nur sagen: Es ist prachtvoll. Aber ich brauche auch diese Unterstütz­ung. Denn die Menschen kommen nicht hierher, um Einschränk­ungen wahrzunehm­en. Nein, die Salzburger Festspiele sind ein großes Festspiel der Künste. Schwierigk­eiten tauchen nur auf, wenn gleichzeit­ig fünf Opern geprobt werden. Dann ist der Intendant eine Mischung aus Organisato­r, Ermögliche­r, Psychoanal­ytiker, Beschwicht­iger… Rabl-Stadler: Dompteur! Hinterhäus­er: Ja, auch. Noch etwas ist wichtig: Dass wir uns unterei- nander verstehen. Denn eine schlechte Stimmung – Konf likte, Divergenze­n, Spannungen – würde sich sehr schnell auf das Publikum übertragen. Aber das ist keine gespielte Harmonie zwischen uns, es ist tatsächlic­h sehr, sehr schön – seit dem 1. Oktober 2016, als ich hier als Intendant angefangen habe.

War das auch so vor dem Beginn Ihrer ersten Festspiele? Danach, im Herbst 2017, signalisie­rten Sie Erleichter­ung. Hinterhäus­er: Nein, ich habe mir keine Sorgen gemacht. Denn es war eine Zusammenku­nft von Künstlern, deren Arbeitswei­se ich sehr gut kenne: William Kentridge, Peter Sellars, Simon Stone und so weiter. Ich konnte mir also ziemlich sicher sein, dass die Festspiele gut ausgehen werden. Und ich habe großes Glück gehabt. Bis auf ganz wenige Ausnahmen hat alles funktionie­rt. Glück ist leider nicht abruf bar.

Eine der Ausnahmen war „Jedermann“? Hinterhäus­er: Der „Jedermann“ist, wie Sie wissen, sehr schnell entstanden – aufgrund einer nicht unkomplizi­erten Vorgeschic­hte. Ein fertiges Ergebnis zu erwarten, wäre ein bisschen viel verlangt gewesen. Michael Sturminger hat an der Inszenieru­ng intensiv weitergear­beitet. Rabl-Stadler: Und Tobias Moretti hat sich wieder mit großer Freude in die Probenarbe­it gestürzt. Dieser „Jedermann“gibt jetzt zu den schönsten Hoffnungen Anlass. Vielleicht spielen wir ihn auch 2020 zum 100Jahr-Jubiläum.

Sie könnten ihn durch eine „Jedermann“-Neudichtun­g ergänzen. Immer wieder wurde mit der Idee gespielt – nun ist Ihnen die Burg mit der Uraufführu­ng „jedermann (stirbt)“von Ferdinand Schmalz zuvorgekom­men … Rabl-Stadler: Eigentlich sollte ich zum „Jedermann“gar nichts sagen. Denn ausgelöst hat die „An-die-Gurgel-gehen“-Attacke die Frage eines Journalist­en, ob es einen neuen „Jedermann“geben wird. Hinterhäus­er: Nein, wir lassen den „Jedermann“nicht neu schreiben, wir bleiben bei Hugo von Hofmannsth­al – und werden weiter untersuche­n, ob der Text seine Daseinsber­echtigung hat. Er hat sie, meiner Meinung nach. Das Stück ist unendlich viel besser als die Klischees, die man ständig bemüht.

Die diesjährig­en Schlagwort­e sind „Passion, Ekstase, Leidenscha­ft“. Haben Sie sich nicht vehement gegen Mottos ausgesproc­hen?

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„Das ist keine gespielte Harmonie zwischen uns, es ist tatsächlic­h sehr, sehr schön“: Helga Rabl-Stadler, Präsidenti­n seit 1995, und Intendant Markus Hinterhäus­er

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