Musikalischer Blick in menschliche Abgründe
Festspiele. Künstlerische Intendanten programmieren mit feinem Sinn für präzise Dramaturgie. Wirkliche Musiker wissen, wie man Werke zu ihrer Geltung bringt.
Der Pianist und Intendant der Salzburger Festspiele Markus Hinterhäuser ist beides. Jedes Werk seines Programms fügt sich ins Gesamte. Die Aufführungsorte sind ideal auf die Kompositionen abgestimmt wie beim Auftakt zur „Ouverture spirituelle“. Die Woche sakraler Musik, die den Festspielen vorangeht, eröffnete Dirigent Kent Nagano mit Krystof Pendereckis „Lukaspassion“in der Felsenreitschule.
Dort, wo in einer Woche Herodes Strauss’ Salome zum Unsäglichen treiben wird, löste derselbe König die Passion Jesu aus. Abgesehen von dieser inhaltlichen Finesse erwies sich die Felsenreitschule vor allem akustisch als idealer Ort für das monumentale Oratorium. Denn dort entfaltet sich der Klang auf eine ganz besondere Weise. Das nutzte Nagano für die Feinheiten des 1966 komponierten Schlüsselwerks der Neuen Musik. Akkurat führte er sein Orchestre symphonique de Montreal, das er seit 2006 leitet, bei dessen Salzburg-Debüt durch die vielschichtige Partitur.
Mit dem Philharmonischen Chor Krakau und dem Warsaw Boy’s Choir inszenierte er ein faszinierendes Stimmentheater, das einen tiefen musikalischen Blick in menschliche Abgründe gab. Beklemmend.
Exzellent waren die Solisten: Sopranistin Sarah Wegener steigerte Pianissimi fulminant. Bariton Lucas Meacham leistete Enormes im Teil des Christus, der auch Falsett-Töne verlangt. Bass Matthew Rose und Sprecher Slawomir Holland, der in einem Felsenfenster agierte, ergänzten auf höchstem Niveau.
Komponist Penderecki nahm den Jubel selbst entgegen.
KURIER-Wertung: