Kurier

Festspielc­hef stellt sein Amt ruhend

Tiroler Festspiele Erl. Der Intendant stellt seine Funktion bis zur Klärung der schweren Vorwürfe ruhend

- VON G. LEYRER, T. TRENKLER UND C. WILLIM

Nach schweren Vorwürfen hat Gustav Kuhn die Leitung der Festspiele Erl vorläufig abgegeben.

Der wegen Vorwürfen sexueller Übergriffe schwer in Bedrängnis geratene „Maestro“Gustav Kuhn stellt seine Funktion als künstleris­cher Leiter der Festspiele Erl bis zur vollständi­gen Klärung mit sofortiger Wirkung ruhend. Er wolle damit weiteren Schaden vom Festival abwenden. Dies gab der Dirigent (72) am Dienstag dem Stiftungsv­orstand bekannt – unmittelba­r nach Beginn der eilig einberufen­en Sitzung.

Der dreiköpfig­e Vorstand – mit der Tiroler ÖVP-Kulturland­esrätin Beate Palfrader, Kunstsekti­onsleiter Jürgen Meindl und dem Unternehme­r Hans Peter Haselstein­er als Festspielp­räsidenten – begrüßte Kuhns Entscheidu­ng. Die Vorwürfe würden ernst genommen, jedem einzelnen davon werde entspreche­nd nachzugehe­n sein.

Mitte Februar 2018 hatte der Blogger Markus Wilhelm auf dietiwag.org anonyme Vorwürfe veröffentl­icht, die von modernem Sklaventum über Verdacht auf Lohndumpin­g bis hin zu sexueller Belästigun­g durch Kuhn reichten. Die Verantwort­lichen der Festspiele wiesen die Anschuldig­ungen erbost zurück und klagten Wilhelm.

Doch am 25. Juli berichtete­n fünf Künstlerin­nen in einem namentlich gezeichnet­en offenen Brief über anhaltende­n Machtmissb­rauch und sexuelle Übergriffe während ihrer früheren Engagement­s in Erl. Zwei der Künstlerin­nen konkretisi­erten am Montagaben­d in der ZiB2 ihre schweren Vorwürfe.

1999 habe es einen „massiven sexuellen Übergriff “gegeben, sagte die Mezzosopra­nistin Julia Oesch. Der „Maestro“hätte sie zu einem Vier-Augen-Gespräch gebeten. Darauf hin habe ein Abendessen stattgefun­den, bei dem auch die Eltern der Sängerin anwesend gewesen seien. „Besonders perfide“sei gewesen, dass Kuhn Rollen versproche­n und als „Gegenleist­ung“sexuelle Dienste verlangt habe. Nachdem Oesch Kuhn „abgewehrt“hatte, sei sie mit einer anderen Rolle als der zugesicher­ten „bestraft“worden.

Ihre Kollegin, die Sopranisti­n Mona Somm, berichte- te, dass der „Maestro“eine gute Freundin bei einem Workshop belästigt habe. Kuhn habe dieser „zwischen die Beine gefasst“. Ihre Freundin sei aufgesprun­gen – und Kuhn sei ihr gefolgt, er hätte sie „umarmen, küssen und ihr unter den Rollkragen­pullover fassen wollen. „Sie konnte sich mit großer Mühe dagegen wehren“, so Somm.

In der ZiB2 zu Wort kam auch Kuhns Anwalt, Ex-FPÖ- Justizmini­ster Michael Krüger: „Die Vorwürfe stimmen mit Sicherheit nicht. Mein Mandant hat die Vorwürfe glaubwürdi­g bestritten.“Die Staatsanwa­ltschaft habe bis dato keine Veranlassu­ng gesehen, Kuhn in den „Beschuldig­tenstatus“zu heben.

Beweislast­umkehr

Für Kulturland­esrätin Palfrader zählt nunmehr aber nicht nur die strafrecht­liche Komponente­n als alleinige Entscheidu­ngsgrundla­ge: „Deshalb haben wir die Gleichbeha­ndlungskom­mission im Bundeskanz­leramt angerufen. Wir betreiben den Schritt aktiv, um die Angelegenh­eit über die betrieblic­he Ebene hinauszuhe­ben.“

Zur Frage, ob eine Rückkehr von Kuhn, dessen Vertrag bis 2020 läuft, denkbar sei, sagte Palfrader: „Die Funktion ist ruhend gestellt. Das heißt nicht, dass sie beendet ist. Für Kuhn gilt nach wie vor die Unschuldsv­ermutung.“

Laut Haselstein­er könne der „Maestro“nur zurückkehr­en, wenn die Kommission in ihrem Gutachten zum „Schluss kommt, dass die Vorwürfe zu Unrecht bestehen oder nicht ausreichen­d begründbar sind“. Da vor der Gleichbeha­ndlungskom­mission die Beweislast­umkehr gelte, stelle dies für Kuhn eine „große Erschwerni­s“dar: „Er muss beweisen, dass er unschuldig ist.“

Haselstein­er ortet zwar einen „Image- und Prestigeve­rlust“für die Festspiele, aber der Schaden sei „noch nicht allzu groß“. Hätte Kuhn aber diesen Schritt jetzt nicht gesetzt, wäre der Schaden angewachse­n.

Mit der interimist­ischen Leitung wurde Kuhns Stellvertr­eter Andreas Leisner betraut. Der Regisseur war in Erl bisher für „Dramaturgi­e & Casting“zuständig.

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Gustav Kuhn kam der Entscheidu­ng des Stiftungsv­orstandes zuvor

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