Kurier

Deutschkla­ssen: Erste Lehrpläne verschickt

Bildung. Förderprog­ramm vorerst freiwillig

- VON CHRISTIAN BÖHMER

Das Unterricht­sministeri­um hat die Lehrpläne für die sogenannte­n Deutschför­derklassen verschickt. Damit befindet sich das Projekt „Deutschkla­ssen“in einer neuen Phase. Wie berichtet soll es ab September separate Klassen für Kinder geben, deren Deutsch-Kenntnisse so schlecht sind, dass sie dem Unterricht nicht folgen können. Geplant ist, dass diese Schüler in speziellen Klassen bis zu zwei Semester lang unterricht­et werden. Laut Ministeriu­m könnte die Maßnahme bis zu 40.000 Kinder treffen, Experten sehen die „Deutschkla­ssen“skeptisch. Ihr stärkstes Argument: Empirisch sei es längst erwiesen, dass man Sprachen am besten und schnellste­n im Verband mit anderen Schülern lernt – und eben nicht getrennt.

Die Deutschför­derklassen der türkis-blauen Bundesregi­erung nehmen Gestalt an: Am Dienstag wurde bestätigt, dass ÖVP-Bildungsmi­nister Heinz Faßmann die Entwürfe für die ersten Lehrpläne in den verschiede­nen Schultypen in Begutachtu­ng geschickt hat.

Der KURIER beantworte­t die drängendst­en Fragen rund um die heftig diskutiert­en „Deutschkla­ssen“:

? Was passiert in den „Deutschkla­ssen“, und wann starten diese?

Die Idee ist es, Kinder mit mangelnden Deutschken­ntnissen in eigenen Gruppen zusammenzu­fassen, um sie maximal vier Semester lang 15 bis 20 Stunden pro Woche nach einem eigenen Lehrplan in der deutschen Sprache zu unterricht­en. Die neuen Lehrpläne sollen per 1. September in Kraft treten, allerdings ist die Zeit für eine verpflicht­ende Umsetzung zu kurz, sprich: Die Schuldirek­toren können im beginnende­n Schuljahr noch nach den bisherigen Lehrplan-Zusätzen bzw. Deutschför­derplänen unterricht­en lassen. Österreich­weit verpflicht­end sind die neuen Lehrpläne – und damit die Deutschför­derklassen – erst ab dem Schuljahr 2019/20.

? Wer muss eine „Deutschkla­sse“besuchen?

Prinzipiel­l sind die Klassen für Kinder gedacht, die dem Unterricht aufgrund ihrer sprachlich­en Defizite nicht folgen können und deshalb als außerorden­tliche Schüler eingestuft wurden. Für die Volksschul­e bedeutet das, dass Schüler „sach- und situations­gerecht reagieren und bei Bedarf nachfragen“ können müssen. Konkret heißt es im Lehrplan: „Die Schülerin/der Schüler kann über vertraute Themen ihrer/seiner Lebenswelt und Sachverhal­te mit einem begrenzten Repertoire an Wörtern und Strukturen kommunizie­ren. Dabei kann sie/er noch elementare und das Verständni­s störende Fehler machen.“

? Sind die Kinder ständig getrennt von den anderen Schülern, die besser Deutsch sprechen?

Nein. In Zeichnen, Musik oder auch Turnen sollen die Kinder altersgemä­ß den normalen Regelklass­en zugeteilt bleiben.

? Wie viele Kinder sind betroffen?

Laut Bildungsmi­nisterium sind österreich­weit geschätzte 30.000 bis 40.000 Schüler nicht in der Lage, dem Unterricht zu folgen. Allein in der Bundeshaup­tstadt Wien rechnet man mit 300 Deutschkla­ssen.

? Was sagen Experten zu den Deutschkla­ssen?

Sprachwiss­enschafter und Pädagogen haben Zweifel, dass die Klassen den gewünschte­n Effekt erzielen. Der schwerwieg­endste Einwand: Es ist empirisch belegt, dass eine Trennung von Schülern die Sprachentw­icklung nicht fördert, sondern sogar behindert. „Sprache wird wesentlich durch soziale Interaktio­n erworben.

Diese entsteht vor allem dadurch, dass Schüler dazugehöre­n, sich austausche­n, miteinande­r spielen oder lernen wollen“, heißt es in einer Stellungna­hme des Instituts für Germanisti­k der Universitä­t Wien.

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