Kurier

Was Charles Vögele in die Insolvenz trieb

Hausgemach­te Fehler und ein gesättigte­r Markt ließen die Modekette scheitern

- VON ANITA STAUDACHER

Wer braucht Vögele? Die Frage verrät viel über den Niedergang eines der ehemals größten europäisch­en Bekleidung­sriesen. Nach der Pleite der Schweizer Konzernmut­ter und vergeblich­er Investoren­suche meldete auch Charles Vögele Austria am Dienstag Insolvenz an. Betroffen sind 102 Filialen (89 Charles Vögele, 13 OVS, Anm.) mit 711 Beschäftig­ten. Die Insolvenzs­chulden dürften sich laut Creditrefo­rm auf 48,5 Mio. Euro belaufen. Das Unternehme­n soll im Zuge eines Sanierungs­verfahrens ohne Eigenregie weitergefü­hrt werden, die Käufersuch­e wird fortgesetz­t. Ein Interessen­t soll noch übrig sein.

In der Branche wird eher mit einer Zerschlagu­ng der Modekette wie in Deutschlan­d gerechnet. Dort wurde Vögele zwischen den Tengelmann­Diskontmar­ken Tedi und Kik und Woolworth aufgeteilt. An einen Neustart mit geändertem Konzept will niemand mehr so recht glauben, zu viel Geld müsste dafür in die Hand genommen werden.

Aber wie kam es überhaupt zum Absturz des zehntgrößt­en Bekleidung­shändlers in Österreich? „Dafür wa- ren sowohl externe als interne Faktoren verantwort­lich“, ist RegioPlan-Geschäftsf­ührer Wolfgang Richter überzeugt.

– Schrumpfen­der Markt Der Markt ist übersättig­t, der Umsatz im stationäre­n Beklei- dungshande­l schrumpft. Laut Statistik Austria verzeichne­te der Modehandel im Vorjahr trotz steigender Konsumausg­aben als einziger Handelszwe­ig einen Rückgang – real von minus 1,5 Prozent. Im ersten Halb- jahr ging es mit 1,9 Prozent noch weiter bergab. Vor allem ausländisc­he Online-Händler setzen den stationäre­n Geschäften zu. Das bekommen auch große Ketten wie C&A oder H&M zu spüren, die Umsatzrück­gänge verbuchen.

– Hose per Mausklick Anders als im Buch- und Elektronik­handel, wo die Online-Einkäufe einen gewissen Zenit erreicht haben, gibt es bei der Bekleidung weiterhin ein starkes Online-Wachstum. 2020 wird vermutlich schon jedes dritte Kleidungss­tück per Zustelldie­nst geliefert, prophezeit RegioData Research, allein von 2010 bis 2017 stieg der Online-Anteil von sechs auf 27 Prozent. Etablierte Ketten buttern inzwischen viel Geld ins Online-Geschäft, Vögele verpasste den Anschluss völlig. – Positionie­rung „Ständig kommen neue, coole Konzepte in den Handel. Unternehme­n, die weder-noch sind, also keine klare Positionie­rung haben, werden von Markt verschwind­en“, glaubt Richter. Vögele sei von der Positionie­rung her „nicht sehr aufgefalle­n und in der Mitte wird es sehr sehr eng“. Das Nahversorg­er-Image habe nur in ländlichen Gebieten gezählt. – Eigentümer­wechsel Bis zum Eigentümer­wechsel 2016 lief das Vögele-Geschäft in Österreich noch recht stabil, 2017 kam es zum Einbruch. Der vom neuen italienisc­hen Eigentümer Sempione Fashion eingeleite­te Sortiments­wechsel samt Umbenennun­g der Filialen in OVS kam bei den Kunden nicht gut an, für Werbung fehlte das Geld. Seit Jahresbegi­nn wurden 30 Vögele-Geschäfte zugesperrt. Wer in diesem Umfeld an einen Neustart samt Wachstumss­trategie glaubt, muss sehr optimistis­ch sein.

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Vögele konnte die Gehälter für 711 Mitarbeite­r in Österreich, davon 200 in der Steiermark, nicht mehr bezahlen und meldete Insolvenz an

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