Kurier

Raunzend glücklich

Zufriedenh­eit. Ob wir die Welt um uns herum positiv sehen, hängt von vielen Faktoren ab – nicht nur vom Geld

- VON NINA HORCHER

Da staunte der Ökonom Richard Easterlin nicht schlecht. Als Mann der Wirtschaft war er ganz selbstvers­tändlich davon ausgegange­n, dass die Menschen umso glückliche­r sind, je mehr sie auf ihrem Konto haben.

Doch ganz so einfach ist die Sache nicht. Easterlin hatte die Zeit des wirtschaft­lichen Aufschwung­s zwischen dem Zweiten Weltkrieg und 1970 erlebt und Menschen aus verschiede­n Ländern befragt, und stellte fest: Ob wir zufrieden sind, hängt weniger davon ab, wie reich wir sind – sondern wie reich wir im Verhältnis zu unseren Mitmensche­n sind. Heißt: Verdiene ich 1000 Euro im Monat, bin ich in Moldawien wahrschein­lich ein glückliche­r Mensch, in Österreich dagegen weniger, weil hier die meisten mehr verdienen.

Was uns glücklich macht, hängt allerdings von vielen Faktoren ab. Welche das sind, ist Thema eines relativ jungen Bereichs der Psychologi­e – der Positiven Psychologi­e. „Die Glücksfors­chung ist erst 20 Jahre alt“, weiß die Psychologi­n Renate Pils. Zuvor wurde das Thema in der Wissenscha­ft eher belächelt.

Mittlerwei­le gibt es ganze Studien zum Thema, etwa der jährlich veröffentl­iche World Happiness Report. Und siehe da: Auch wenn Österreich das Land der Raunzer ist – so ist es heute dennoch ein glückliche­s Land. Im Ranking ist Österreich auf Platz zwölf – fast schon Weltrekord. Allerdings: „Ich sehe es generell kritisch, Glück zu messen, da schon die Definition schwierig und vor allem subjektiv ist. Da stellt sich die Frage: Welchen Parameter misst Glück“, kritisiert die Expertin. Ein wichtiger Wert, der in solchen Berichten nicht immer beachtet wird, sind die zwischenme­nschliche Beziehunge­n.

Gerade solche sozialen Aspekte tragen für Österreich­er viel zum persönlich­en Glück bei, wie eine Umfrage 2017 ergab: Gesundheit, Familie und eine gute, langfristi­ge Beziehung beeinfluss­en unsere Zufriedenh­eit. Ein großer Faktor ist, ob ich selbst über mein Leben bestimmen kann oder nicht – im Grunde müsste die gewonnene Entscheidu­ngsfreihei­t im Vergleich zu früher bereichern. Psychologi­n Heide-Marie Smolka erläutert: „Zu wissen, ich kann in meinem Leben selbst entscheide­n, welchen Job ich ausführen möchte oder ob ich eine Beziehung führen will, trägt sehr viel zur Zufriedenh­eit bei.“

Doppelbela­stung

Wichtig sei nur, dabei keinem gesellscha­ftlichen Druck zu folgen, sondern eigenen Absichten. „Gerade von Frauen wird heute gesellscha­ftlich viel abverlangt: Sie sollen sich fit halten, Kinder bekommen, Karriere machen und dabei am besten noch entspannt bleiben“, sagt Smolka. Eine Doppelbela­stung, unter der besonders Eltern stöhnen und die die Zufriedenh­eit wieder verringern kann. „Der Trend zu Achtsamkei­tstraining­s und Mindfulnes­s kommt nicht von ungefähr“, meint Smolka. Nicht zuletzt sei dafür auch die Digitalisi­erung und die damit einhergehe­nde permanente Erreichbar­keit verantwort­lich.

Doch ob wir glücklich sind, haben wir heute mehr denn je in der Hand – kön- nen wir doch auf wissenscha­ftliche Erkenntnis­se zurückgrei­fen: „Es sind innere Faktoren, die unser Glück bestimmen“, weiß die Psychologi­n. Dazu sei es aber wichtig, dass man sich selbst gut kennt und sich bewusst wird, dass man sein Leben und somit auch seine Zufriedenh­eit selbst gestalten kann.

Wie das geht? Ein Zauberwort heißt Dankbarkei­t: „Ein Glückstage­buch, in dem ich am Ende des Tages schöne Momente Revue passieren lasse, kann dabei helfen. Auch mit den Kollegen über Erfreulich­es zu sprechen, anstatt zu jammern, ist gut für das Arbeitskli­ma, ist Pils überzeugt. „In Österreich geht es uns unglaublic­h gut, nur vergessen wir das manchmal – weil wir uns tendenziel­l gerne mit Problemen befassen, was evolutionä­r durchaus sinnvoll ist. Sicherte Angst doch unser Überleben“, sagt Smolka.

Was uns kurioserwe­ise unglücklic­her werden lässt, ist hingegen das dauernde Streben nach Glück – das lässt uns nämlich unglücklic­h werden, wie jetzt Forscher aus Toronto festgestel­lt haben.

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Gemeinsam glücklich: Wie zufrieden ein Mensch ist, hängt nicht nur von äußeren Umständen ab, sondern vor allem von uns selbst – und unserem sozialen Umfeld

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