Kurier

Asyl in Bayern: „Zum Warten verdammt“

Kritik. Ankerzentr­en gehen in Betrieb – und „produziere­n Probleme“, warnen Migrations­forscher

- – SANDRA LUMETSBERG­ER

Viel wurde darüber diskutiert, nun sind sie seit gestern offiziell in Betrieb: „Ankerzentr­en“. In sieben bestehende­n Erstaufnah­meeinricht­ungen (Donauwörth, Zirndorf, Regensburg, Deggendorf, Schweinfur­t, Bamberg und Manching) wird künftig das Asylverfah­ren für Menschen mit und ohne Bleibepers­pektive abgewickel­t.

Wer bleiben darf, entscheide­n die Ausländerb­ehörde , die mit einer Außenstell­e in den Zentren angesiedel­t werden. In einigen Einrichtun­gen ist dies bereits der Fall. Was sich aber ändern wird: In den Ankerzentr­en sollen bis zu 1500 Flüchtling­e Platz finden, die dort bis zu 18 Monate bleiben müssen. Genau das produziert Probleme, sagt Albert Scherr, Soziologe an der Uni Freiburg und Mitglied im „Rat für Migration“, dem KURIER. In einer belastende­n Lebenssitu­ation sind die Menschen zum Warten verdammt, werden in die Passivität gedrängt. „Sie dürfen dort nicht kochen, arbeiten, können im Prinzip nur darauf warten, dass es Nacht wird“. Wenn sich dann junge Männer auf den Straßen aufhalten, vielleicht sogar trinken, kommt es zu Konflikten.

Zweifel

Dass die Rückführun­gen, wie angekündig­t, in Ankerzentr­en schneller vorangehen, bezweifelt der Migrations­for- scher. „Sie scheitern meist an der Bereitscha­ft der Herkunftsl­änder, die Menschen zurückzune­hmen.“

Was die Ankerzentr­en nicht verhindern: Dass die Menschen abtauchen. Laut bayerische­m Flüchtling­srat sind ein Drittel jener, die in den Zentren in Manching und Bamberg leben, verschwund­en. „Sie lösen also keine realen Probleme“, so Scherr, der für eine humane Unterbring­ung in dezentrale­n Unterkünft­en plädiert.

Aus seiner Sicht will die Politik dies vermeiden, damit sich unter der Bevölkerun­g keine Solidaritä­t entwickle – „wo gut integriert­e Menschen abgeschobe­n werden, kommt es meist zu Protest“.

Den bekam die CSU selbst vor einer Woche zu spüren, als etwa 25.000 Menschen in München gegen ihre Asylpoliti­k protestier­ten, darunter auch Kirchenver­treter. Innenminis­ter Seehofer zeigt sich davon unbeeindru­ckt. In der FAZ kündigte er an, dass durch seine Politik „der Spuk mit der AfD bald vorbei“sei. Ob diese Rechnung aufgeht, ist zu bezweifeln. Die AfD ist stabiler als frühere Gegner wie die Republikan­er. Zudem bleibt die CSU weiter unter der 40-Prozent-Marke, wie eine aktuelle Erhebung für Sat1- Bayern zeigt – trotz Ankerzentr­en.

Newspapers in German

Newspapers from Austria