Kalkulierte Grenzüberschreitungen
Kritik. Florentina Holzinger provoziert mit „Apollon“bei ImPulsTanz
Florentina Holzinger ist der Shootingstar der Performanceszene. So überrascht esnicht, dassihrStück„Apollon“als Auseinandersetzung mit George Balanchines neoklassischem, 1928 zu Musik von Igor Strawinsky entstandenenBallett„ApollonMusagéte“bei ImPulsTanz im Volkstheater gezeigt wurde.
Eine überbordende Bilderflut ergibt eine schrille Show. Sie steht für vieles, das Performancekunst enthalten kann: Laut, nackt, obszön, Miteinbeziehung des Publikums, Tanz zwischen Moderne, Varieté und Zirkus. Die sechs Performerinnen zelebrieren ihre Ausgelassenheit. Holzinger setzt am Beginn auf Performancegeschichte und zitiert Jan Fabre.
Sie rückt ihr Stück später in die Nähe des aktionistischen Blut- und Fäkalientheaters und fügt sich VerletzungenaufoffenerBühnezu. Diese Tabubrüche könnten eine Referenz zu Aktionen der Wiener Gruppe von 1968 sein. Aus dem Publikum tönt eine Stimme: „Scheiße ist hier noch das Harmloseste, was es zu sehen gibt.“
Als Höhepunkt steuern die Performerinnen am Ende einem Rachefeldzug gegen Balanchines „Apollon“Ballettentgegen, dasinihrerLesart drei freie Musen vom Helden Apollo bezwingen lässt.
Ihre Musen sind nun total entfesselt, Apolloistalselektrischer Rodeo-Stier präsent, der auf verschiedenste Arten bestiegen wird, ehe eine Performerin seine Rolle übernimmt: Diese Aktivistinnen brauchen und suchen keinen Erlöser. Mehrundmehrgeraten sie in einen Rausch, der sie außer Kontrolle zeigt und zu Grenzüberschreitungen führt. Das Stück entzieht sich jeder Wertung.–