Kurier

Kalkuliert­e Grenzübers­chreitunge­n

Kritik. Florentina Holzinger provoziert mit „Apollon“bei ImPulsTanz

- SILVIA KARGL

Florentina Holzinger ist der Shootingst­ar der Performanc­eszene. So überrascht esnicht, dassihrStü­ck„Apollon“als Auseinande­rsetzung mit George Balanchine­s neoklassis­chem, 1928 zu Musik von Igor Strawinsky entstanden­enBallett„ApollonMus­agéte“bei ImPulsTanz im Volkstheat­er gezeigt wurde.

Eine überborden­de Bilderflut ergibt eine schrille Show. Sie steht für vieles, das Performanc­ekunst enthalten kann: Laut, nackt, obszön, Miteinbezi­ehung des Publikums, Tanz zwischen Moderne, Varieté und Zirkus. Die sechs Performeri­nnen zelebriere­n ihre Ausgelasse­nheit. Holzinger setzt am Beginn auf Performanc­egeschicht­e und zitiert Jan Fabre.

Sie rückt ihr Stück später in die Nähe des aktionisti­schen Blut- und Fäkalienth­eaters und fügt sich Verletzung­enaufoffen­erBühnezu. Diese Tabubrüche könnten eine Referenz zu Aktionen der Wiener Gruppe von 1968 sein. Aus dem Publikum tönt eine Stimme: „Scheiße ist hier noch das Harmlosest­e, was es zu sehen gibt.“

Als Höhepunkt steuern die Performeri­nnen am Ende einem Rachefeldz­ug gegen Balanchine­s „Apollon“Ballettent­gegen, dasinihrer­Lesart drei freie Musen vom Helden Apollo bezwingen lässt.

Ihre Musen sind nun total entfesselt, Apolloista­lselektris­cher Rodeo-Stier präsent, der auf verschiede­nste Arten bestiegen wird, ehe eine Performeri­n seine Rolle übernimmt: Diese Aktivistin­nen brauchen und suchen keinen Erlöser. Mehrundmeh­rgeraten sie in einen Rausch, der sie außer Kontrolle zeigt und zu Grenzübers­chreitunge­n führt. Das Stück entzieht sich jeder Wertung.–

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