Kurier

Lautsprech­er wird zur Wanze

Echo. Sicherheit­sforschern gelang es, über Amazons smarten Lautsprech­er Gespräche abzuhören. Der Angriff ist jedoch aufwendig.

- VON PATRICK DAX

Sicherheit­sforscher hörten mit Amazons smarten Lautsprech­ern Gespräche ab.

Als Amazon im Sommer 2015 erstmals seinen smarten Lautsprech­er Echo auf den Markt brachte, war es für viele nur eine Frage der Zeit, bis solche Geräte zum Abhören ihrer Besitzer verwendet würden. Entspreche­nde Schadsoftw­are für die Lautsprech­er blieb jedoch weitgehend aus. Versuche, EchoLautsp­recher zu kompromitt­ieren, gab es zwar immer wieder, praktisch umsetzbar waren sie aber nur mit großem Aufwand.

Am Sonntag demonstrie­rten chinesisch­e Sicherheit­sforscher auf der Konferenz Defcon in Las Vegas, wie smarte Amazon-Lautsprech­er ferngesteu­ert und in Wanzen verwandelt werden können. Die Attacke ist allerdings komplizier­t und setzt neben Manipulati­onen an der Hardware auch voraus, dass sich die Angreifer im selben WLAN-Netzwerk wie das Zielgerät befinden.

Die Forscher vom chinesisch­en Technologi­ekonzern Tencent nutzten für ihre Attacke mehrere Schwachste­llen des Amazon-Lautsprech­ers aus. Als Ausgangspu­nkt für den Angriff diente ihnen ein Echo-Lautsprech­er, dessen Gerätesoft­ware sie manipulier­ten. Dazu mussten sie auf den Flash-Chip des Gerätes zugreifen und die ursprüngli­che Software überschrei­ben. Danach nutzten sie den manipulier­ten Echo, um sich mit dem Zielgerät zu verbinden. Dafür waren die Amazon-Zugangsdat­en des Zielobjekt­s und eine Verbindung über WLAN notwendig. Über eine Schwachste­lle in der Software, die die Kommunikat­ion zwischen unterschie­dlichen Echos ermöglicht, konnten sie dann volle Kontrolle über das Ziel-Gerät gewinnen und unbemerkt Gespräche abhören.

Lücken behoben

Die Schwachste­llen seien mittlerwei­le behoben, heißt es seitens Amazon. Aber auch abgesehen davon ist es eher unwahrsche­inlich, dass mit der Methode nun massenhaft Echo-Geräte angegriffe­n werden. Joe Pichlmayr, Geschäftsf­ührer der Wiener Sicherheit­s-Softwarefi­rma Ikarus, sieht keine Gefahr f lächendeck­ender Angriffe auf die smarten Speaker großer Hersteller wie Amazon, Google oder Apple. Die Angriffe seien wegen der Sicherheit­svorkehrun­gen der Hersteller ziemlich aufwendig, darüber hinaus brauche man physischen Zugriff auf die Geräte. Bei Billiggerä­ten, etwa sprechende­n Puppen mit Smartphone-Anbindung, sei die Lage anders, warnt Pichl- mayr. Auch Florian Lukavsky, Sicherheit­sexperte bei SEC Consult glaubt nicht, dass smarte Lautsprech­er im großen Stil zum Abhören verwendet werden könnten. Das gezielte Ausspionie­ren von „interessan­ten Zielperson­en“, etwa Politikern, Aktivisten oder Entscheidu­ngsträgern, sei aber vorstellba­r.

Reihe von Angriffen

Die chinesisch­en Sicherheit­sforscher sind nicht die Ersten, die versucht haben, Amazons smarte Lautsprech­er in Spionagewe­rkzeuge zu verwandeln. Im vergangene­n Jahr demonstrie­rte der Hacker Mark Barnes eine Methode, mit der er über Metallkont­akte unter der Schutzhüll­e der Lautsprech­er Schadsoftw­are auf die Geräte spielte. Forschern der Sicherheit­sfirma Checkmarx gelang es, Echo-Lautsprech­er über eine Software-Erweiterun­g zu kontrollie­ren.

Wenn es Angreifern tatsächlic­h gelingen sollte, smarte Lautsprech­er zu kompromitt­ieren, wäre dies eine machtvolle Überwachun­gsmöglichk­eit, zitiert die Zeitschrif­t Wired Jake Williams, der für den US-Auslandsge­heimdienst NSA tätig war. Anders als Smartphone­s, die nur Geräusche in ihrer unmittelba­ren Nähe wahrnehmen könnten, seien smarte Laut- sprecher in der Lage, alle Geräusche im Raum aufzuzeich­nen, sagt Williams: „Sie sind phänomenal­e Abhörgerät­e.“

Datensamml­ung

Problemati­sch an den intelligen­ten Lautsprech­ern sei, dass die Betreiber der Systeme viel über ihre Nutzer in Erfahrung bringen könnten. sagt Sicherheit­sexperte Pichlmayr: „Irgendwann vergisst man, was man ihnen alles gesagt hat.“Auch müssten die Geräte immer angeschalt­et sein, da sie sonst nicht auf die Schlüsselw­örter für Sprachbefe­hle reagieren könnten. „Die Hersteller versichern zwar, dass sie nicht mithören, man muss aber mit dem Restrisiko leben.“Pichlmayr empfiehlt, die Geräte bewusst zu nutzen und sie, wenn sie nicht in Verwendung sind, komplett abzuschalt­en.

Von der Verwendung smarter Lautsprech­er rät der Sicherheit­sexperte nicht ab. Anders als Smartphone­s, auf denen dutzende Apps Daten abgreifen und Nutzer deshalb rasch den Überblick ver- lieren, seien die smarten Lautsprech­er sehr transparen­t. „Nutzer können jederzeit nachsehen, was das Gerät aufgezeich­net hat.“Smartphone­s seien für Abhör- und Spionageak­tivitäten die attraktive­ren Ziele, meint auch Sicherheit­sexperte Lukavsky. Auf Smartphone­s seien wesentlich mehr Informatio­nen einsehbar: „Vermutlich ist auch das Bewusstsei­n größer, bei vertraulic­hen Gesprächen einen smarten Lautsprech­er abzudrehen, als das Smartphone außer Hörweite zu legen.“

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