Kurier

Industrie im Klima-Dilemma

Ohne Öl und Gas würden Kosten und Strombedar­f enorm steigen.

- VON IRMGARD KISCHKO

Österreich­s chemische Industrie hat ein Problem: Ihre Rohstoffe sind vor allem Öl und Gas. Insgesamt 20 Millionen Tonnen verbrauche­n die Unternehme­n der heimischen Chemiebran­che pro Jahr. Und damit verursache­n sie Treibhausg­asemission­en von 4,7 Millionen Tonnen jährlich.

Um den Klimawande­l einzudämme­n, schreibt die EU aber vor, dass die CO2-Emissionen bis 2030 um 40 Prozent und bis 2050 um 85 bis 90 Prozent reduziert werden müssen. Hubert Culik, Obmann des Fachverban­ds der Chemischen Industrie, hat daher vom Institut für industriel­le Ökologie die Potenziale für eine Verringeru­ng des CO2-Ausstoßes ermitteln lassen. Das spannende Ergebnis: Die Branche könnte ihren Treibhausg­as-Ausstoß fast vollständi­g eliminiere­n. Aber: Nicht nur die Kosten dafür sind enorm, sondern auch der zusätzlich­e Strombedar­f, den die Unternehme­n bräuchten, wenn sie kein Öl und Gas mehr verwenden würden, 55 Terawattst­unden Strom zusätzlich im Jahr. Das sind fast 80 Prozent des aktuellen österreich­ischen Jahresstro­mverbrauch­s. „Diese Energie muss zudem aus erneuerbar­en Quellen kommen, damit CO2 auch wirklich wegfällt“, sagt Culik. Wo all die dafür nötigen Wind-, Sonnen- und Wasserkraf­twerke gebaut werden sollen, ist unklar.

„Dennoch: Wir wollen Treibhausg­ase reduzieren“, sagt der Fachverban­ds-Obmann. Die Studie stellt drei Szenarien vor: Erstens – und das ist die am leichteste­n umsetzbare – soll der Dampf, der für viele chemische Prozesse benötigt wird, nicht mehr mit Gas, sondern mit Ökostrom erzeugt werden. Das würde die Obmann Fachverban­d Chemie

Emissionen schon halbieren, würde aber den Strombedar­f um zwölf Terawattst­unden erhöhen.

Zweite Möglichkei­t wäre chemische Prozesse zu verbessern und zu „ökologisie­ren“. So könnte die Chlorherst­ellung effiziente­r werden und in der Ammoniakpr­oduktion nur noch Wasserstof­f zum Einsatz kommen, der nicht aus Gas sondern in der Elektrolys­e mit Ökostrom gewonnen wird. Kosten: rund 280 Millionen Euro und 5,5 Terawattst­unden mehr Strom, dafür eine halbe Million Tonnen weniger CO2.

Das dritte Szenario ist noch Zukunftsmu­sik. Demnach würde die Branche gar kein Öl und Gas mehr nutzen, sondern den notwendige­n Kohlenstof­f aus Abgasen sammelt und den Wasserstof­f aus der Elektrolys­e. 1,2 Milliarden Euro würde das kosten und den Stromverbr­auch in beachtlich­e Höhen treiben, die Emissionen wären aber weg.

Bio-Rohstoffe

Geforscht wird in der Chemie-Industrie aber auch am Ersatz von Öl durch Bio-Rohstoffe: etwa Härter auf Cashew-Basis oder Lacke aus Tomatenabf­ällen und Algen. Aber auch hier gibt es ein Problem: „Sind diese natürliche­n Rohstoffe ausreichen­d verfügbar“, fragt Culik. Die Konkurrenz zwischen „Teller und Industrie“, die den Biosprit zusetzte, will Culik in seiner Branche auf jeden Fall vermeiden. Algen könnten ein Ausweg sein. Sie lassen sich züchten und sind gute CO2-Speicher.

Im Bereich der Kraftstoff­e denkt man an E-Fuels, also Sprit aus Strom, Wasser und CO2. Die IMV prüft das schon in einem Pilotproje­kt. Immerhin ist die Raffinerie Schwechat für mehr als die Hälfte des CO2-Ausstoßes der Chemiebran­che verantwort­lich.

„Die große Frage wird sein: Gibt es genügen Bio-Rohstoffe und Strom zum Ersatz von Öl und Gas?“Hubert Culik

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