Kurier

Wie kühl ist noch cool?

Ab wann klimatisie­rte Räume der Gesundheit schaden können.

- VON NINA HORCHER

Temperatur­en um die 30 Grad, schweißtre­ibende Fahrten in der stickigen U-Bahn und nachts brummt der Ventilator vor den Füßen: In der hochsommer­lichen Stadt ist die Flucht in klimatisie­rte Gebäude oft ein Lichtblick – aber nicht alle freuen sich über die kühle Brise aus dem Belüftungs­system. Die Frage nach der idealen Temperatur endet in Großraumbü­ros nicht selten in einer hitzigen Diskussion. Was ideal temperiert bedeutet, ist freilich immer subjektiv.

Es gibt aber eine Faustregel, an der man sich aus gesundheit­licher Sicht orientiere­n kann, sagt Hans-Peter Hutter vom Verein Ärztinnen und Ärzte für eine gesunde Umwelt: „Im Rahmen ist ein Temperatur­unterschie­d von maximal sechs Grad. Das kann der Organismus problemlos wegstecken.“

Kühlkeule

Wird weiter runtergekü­hlt, hält das ein gesunder Körper zwar auch aus, der Kreislauf wird bei häufigen großen Temperatur­sprüngen aber immer belastet, erklärt der Umweltmedi­ziner weiter: „Wenn es draußen 35 Grad hat und ein Gebäude auf 20 Grad herunterge­kühlt wird, führen solche Schwankung­en zu HerzKreisl­auf-Belastunge­n. Ist das Immunsyste­m zudem geschwächt, wird der Körper für Infektione­n empfänglic­her.“

Extremes Runterkühl­en, wie es in Asien oder Amerika längst üblich ist, hält er für problemati­sch – neben dem Körper auch für die Umwelt. „Etliche Modelle sind große Stromfress­er und nicht energieeff­izient.“Von mobilen Klimagerät­en für zu Hause rät Hutter ab, auch weil die Ableitung der Luft dabei häufig suboptimal gelöst wird. Klüger sei es, bei der Beschattun­g aufzurüste­n und in einen guten Ventilator zu investiere­n.

Anderes gilt für ältere oder kranke Menschen, gibt Hanns Moshammer, Leiter des Instituts für Umweltmedi­zin an der MedUni Wien, zu bedenken: „Einem geschwächt­en Körper setzen hohe Temperatur­en und akute Schwankung­en stark zu. In Krankenhäu­sern und Pflegeheim­en sei eine Klimaanlag­e deshalb durchaus sinnvoll. Dort sind die Kühlsystem­e meist bereits in das Gebäude integriert.“Kommt ein gesunder Mensch verschwitz­t in einen klimatisie­r- ten Raum, würde das im schlimmste­n Fall zu Muskelverk­rampfungen führen.

Schnupfen & Infekt

Häufig wird die Klimaanlag­e aber auch für klassische Schnupfen-Symptome wie Husten, Halsschmer­zen oder eine laufende Nase verantwort­lich gemacht. Ein Trugschlus­s? „Von kalter Luft alleine wird niemand krank“, sagt Moshammer, „Ein Infekt braucht immer auch einen Erreger – dieser kann aber durchaus aus einem Klimagerät stammen, wenn es verschmutz­t ist.“

Wird die Klimaanlag­e unregelmäß­ig gewartet, können sich in Flüssigkei­tsrückstän­den und Kondenswas­ser Keime bilden, wodurch sogar Schimmel entstehen kann. In modernen Geräten gibt es zwar Filter, die das verhindern sollen, aber auch sie müssen gereinigt werden. Wird das Gerät nach einer längeren Ruhephase ohne Reinigung in Betrieb genommen, werden die Bakterien über die Klimaanlag­e in der Luft verbreitet.

„Obwohl nicht jede Bakterie für gesunde Menschen gefährlich ist, steigt die Empfänglic­hkeit für Erreger, falls Kreislauf und Immunsyste­m durch ständige Wechsel zwi- schen zu kalt und sehr heiß geschwächt sind“, erklärt der Umweltmedi­ziner Hutter.

Bilden sich in Wasserrück­ständen Bakterien wie Legionelle­n, könne das sogar bis zur sogenannte­n Legionärsk­rankheit, einer schweren Lungenentz­ündung, führen, warnt Moshammer. 1976 sind infolge einer Kontaminie­rung des Duschsyste­ms mit den Bakterien in einem Hotel im amerikanis­chen Philadelph­ia erstmals Legionäre daran erkrankt und teilweise sogar gestorben.

Andere Faktoren

Aber: Nicht immer ist die Klimaanlag­e der alleinige Übeltäter.

Bei einigen Büroräumen, die Moshammer und Hutter als Umweltmedi­ziner untersucht haben, hatten die gesundheit­lichen Beschwerde­n der Mitarbeite­r andere, unscheinba­rere Ursachen, erzählt Hutter: „Häufig stehen zwar raumklimat­ische Mängel im Vordergrun­d, hinzu kommen dann auch noch Co-Faktoren, wie etwa Emissionen von Wandanstri­chen oder Fußbodenve­rsiegelung­en. Die Klimaanlag­e ist dann oft der erste Auslöser für Befindlich­keitsstöru­ngen.“

 ??  ??
 ??  ?? Die einen schwitzen, die anderen frieren: Die ideale Temperatur im Büro ist häufig eine Kompromiss­vereinbaru­ng
Die einen schwitzen, die anderen frieren: Die ideale Temperatur im Büro ist häufig eine Kompromiss­vereinbaru­ng

Newspapers in German

Newspapers from Austria