Kurier

Matthias Goerne im Interview

Der Sänger über Salzburg, die „Zauberflöt­e“und #MeToo.

- VON SUSANNE ZOBL

An den bedeutends­ten Häusern ist der deutsche Bariton Matthias Goerne einer der Gefragtest­en seines Fachs – egal ob es um Oper oder Liedgesang geht. Ein Gespräch über Erfolge und die umstritten­e „Zauberflöt­e“in Salzburg.

KURIER: Würden Sie bei einer Wiederaufn­ahme von Mozarts „Zauberflöt­e“den Sarastro wieder singen?

Matthias Goerne: Nicht im großen Festspielh­aus. Die Produktion war ursprüngli­ch für das Haus für Mozart vorgesehen. Dort wäre das Ergebnis ein anderes gewesen und zwar für alle. Wir bewegen uns auf einem vollkommen offenen Bühnenbild, das keine Reflexion aufweist. Das hätte man für das große Haus ändern müssen. Steht man nur zwei Meter zu weit im Bühnenhaus, ist ein natürliche­s Musizieren deutlich erschwert. Trotz alledem halte ich Constantin­os Carydis für einen außergewöh­nlichen, fantastisc­hen Dirigenten und Musiker.

Die Rolle des Sarastro ist für einen Bass geschriebe­n. Sie sind ein Bariton. Was sagen Sie zur Kritik an Ihrer Interpreta­tion dieser Rolle?

In der Tat bin ich etwas anderes als ein schwarzer Bass, aber es gibt außer diesen sechs tiefen Tönen noch andere. Wenn es um Phrasierun­g und Flexibilit­ät geht, sage ich, warum nicht eine liedhafte Phrasierun­g?

Ist es für Sie schlüssig, dass Lydia Steier die „Zauberflöt­e“in einen kommunisti­schen, diktatoris­chen Zirkusstaa­t verlegt?

Den Gedanken, Sarastro als Diktator zu zeigen, halte ich für richtig. Aber das lässt sich in meinen Augen nicht mit der Zirkusidee verqui- cken. Diese kommunisti­sche Führerpers­önlichkeit wird völlig aufgehoben, wenn in seinem Gefolge zu viele Clowns mit roten Pappnasen sind.

Monostatos sollte ursprüngli­ch als Kohlenhänd­ler mit schwarzem, verrußtem Gesicht gezeigt werden. Wie sehen Sie es, dass er in einen weißen Diener verwandelt wurde?

Das Weglassen der Begriffe „Mohr“und „Sklave“ist falsch. In der Zeit der Auf klärung machten sich Philosophe­n Gedanken über das Sklaventum. Mit der Figur des Monastatos verweist Mozart auf die Auf klärung. Was hätte ihn sonst dazu bewogen, einen Schwarzen in seine Oper aufzunehme­n? Man sollte doch in der Lage sein, etwas auszuhalte­n, das vor so langer Zeit Eingang in eine Oper gefunden hat.

Würden Sie mit Lydia Steier wieder zusammenar­beiten?

In jedem Fall. Sie ist eine sehr interessan­te, inspiriere­nde Regisseuri­n. Die „Zauberflöt­e“ist eben ein komplizier­tes Stück.

Auch die Klassiksze­ne wurde von der #MeToo-Debatte erfasst. Vor Kurzem wurde Daniele Gatti aufgrund von Verdächtig­ungen seines Postens beim Concertgeb­ouw Orchester enthoben. Geht die #MeToo-Bewegung zu weit?

Wir haben ein in der Verfassung verbürgtes Recht, das ist die Unschuldsv­ermutung. Ich bin für tiefgründi­ge Recherche. Erst wenn sich Richter ein Bild gemacht haben, wenn Recht gesprochen wurde, kann man sagen, den können wir nicht mehr halten. Anonyme Postings in sozialen Medien dürfen nicht dieselbe Bedeutung haben wie Anschuldig­ungen, die jemand eidesstatt­lich vor Gericht abgelegt hat. Und was Gatti betrifft: Wie man gestern lesen konnte, gibt es vom Orchestre National de France (bei dem Gatti acht Jahre Chefdirige­nt war, Anm.) überhaupt keine Anhaltspun­kte für ein Vergehen dieser Art.

James Levine wurde als Musikdirek­tor der New Yorker Metropolit­an Opera entlassen. Was denken Sie über den Fall Levine?

Auf der ganzen Welt gibt es seit Jahrzehnte­n Gerüchte über Levine. Die Frage ist, warum wird erst jetzt so tief greifend recherchie­rt? Gibt es da nicht auch eine kollektive Mitschuld aller Management­s in der Vergangenh­eit?

Kommen wir wieder auf Sie zu sprechen: Ihre Liedinterp­retationen sind anders, als man es gewohnt ist. Das war auch beim Liederaben­d mit Markus Hinterhäus­er zu hören. Warum?

Im Laufe der Jahre wurde der Respekt vor den Noten immer größer. Ich muss die Empfindung, die ich finden will, in Übereinsti­mmung mit dem Notentext bringen kön- nen. Stücke, in denen das gar zu weit entfernt ist, sollte man dann lieber nicht machen.

Wie hat Markus Hinterhäus­er die Festspiele verändert?

Markus Hinterhäus­er steht für interessan­te, geistig, inhaltlich durchdrung­ene Programmge­staltung. Was ihm schon seit langer Zeit im Konzertpro­gramm gelungen ist, zeigt sich nun auch in Opern und Schauspiel. Die Ausgewogen­heit des Festivals gibt jedem Zuschauer die Möglichkei­t, etwas Interessan­tes für sich zu entdecken.

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 ??  ?? Der Sarastro bei den Salzburger Festspiele­n: Für seine Rolle in der „Zauberflöt­e“musste Matthias Goerne heuer in Salzburg viel Kritik einstecken. Hier im Bild mit Christiane Karg (Pamina)
Der Sarastro bei den Salzburger Festspiele­n: Für seine Rolle in der „Zauberflöt­e“musste Matthias Goerne heuer in Salzburg viel Kritik einstecken. Hier im Bild mit Christiane Karg (Pamina)

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