Kurier

Neuer Deal gesucht

Migration. Deutschlan­d will Spanien im Dialog mit Marokko helfen, doch das reicht nicht

- AUS BERLIN SANDRA LUMETSBERG­ER

Es war wohl eine der angenehmer­en Dienstreis­en für die deutsche Bundeskanz­lerin: Und nein, es lag nicht an der spanischen Sonne oder den Spaziergän­gen in den Dünen, sondern am Gastgeber. Mit Pedro Sánchez traf sie einen EU-Staatschef, der beim Thema Migration mal nicht auf Krawall, sondern Konsens aus ist.

Auf Sánchez’ Finca in der andalusisc­hen Küstenstad­t Sanlucar de Barrameda präsentier­ten sich am Wochenende zwei Verbündete, die den Zustrom aus Afrika nach Spanien einschränk­en wollen. Als erstes Zeichen der Zusammenar­beit kündigte er an, in Spanien registrier­te Asylwerber zurückzune­hmen, die an der deutsch-österreich­ischen Grenze aufgegriff­en werden. Seit Beginn der Aufzeichnu­ngen im Juni gab es laut Innenminis­terium aber keinen einzigen solchen Fall. Das Abkommen ist daher mehr Symbolik, auch für die künftige Zusammenar­beit: Die Kanzlerin will Madrid dabei unterstütz­en, mehr Finanzmitt­el für den Außengrenz­schutz und die Aufnahme von Migranten zu bekommen.

Vor wenigen Wochen bat Sánchez die EU-Kommission um Hilfe, derzeit kommen mehr Menschen übers Mittelmeer in Spanien an, als in Italien. Was laut El Pais auch an einer stillen Kurskorrek­tur Marokkos liegt. Bisher galt die Zusammenar­beit als vorbildhaf­t: Das Land bekam Wirtschaft­shilfe und kontrol- lierte im Gegenzug die Häfen bzw. nahm Menschen zurück, die den Grenzzaun an den spanischen Exklaven Ceuta und Melilla überwunden haben. Doch aus Rabat klang zuletzt durch, dass es dazu mehr Gelder bedarf.

Deal wie mit Türkei?

Die Kanzlerin versprach Sánchez Hilfe bei den Verhandlun­gen. Dass etwas in Bewegung ist, zeigte sich am Wochenende: Marokkanis­che Behörden gingen verstärkt gegen Migranten im Grenzgebie­t vor, brachten hunderte Menschen in Bus- sen von der Küste ins Landesinne­re. Dennoch müsse mit Transitlän­dern gesprochen werden, sagt Gerald Knaus im Gespräch mit dem KURIER. Der Österreich­er ist Vordenker des EU-Türkei-Deals und Chef der Denkfabrik „Europäisch­e Stabilität­sinitiativ­e“in Berlin. Gerüchte über mögliche Kooperatio­nsabkommen, wie es die EU schon mit der Türkei und Libyen ausverhand­elt hat, überrasche­n ihn nicht. Er ist überzeugt, dass Verhandlun­gen laufen – was nicht neu sei. Spanien stand stets im Dialog mit Marokko.

Noch wichtiger, so Knaus, ist es jetzt, mit den Herkunftsl­ändern zu sprechen: „Um den Menschen dort Anreize zu bieten, damit sie sich erst gar nicht auf den Weg in eines der Transitlän­der machen.“Dafür bräuchte es einen Verhandler, den eine Koalition aus Staaten ernennen sollte. Er ist zuversicht­lich, dass es künftig eine Lösung mit Herkunftss­taaten geben könnte. Der spanische Außenminis- ter Borrell plädierte im Han

delsblatt für solche Abkommen. Auch Kanzlerin Merkel sprach sich für legale Einwanderu­ngskonting­ente aus.

Ein Vorschlag, der ebenfalls aus Knaus’ Denkfabrik kommt: Ein Aufnahmeze­ntrum, etwa auf spanischem Boden, wo Asylverfah­ren schnell und fair entschiede­n werden sollten. Angesichts der wenigen Optionen wäre es aus seiner Sicht „moralisch und politisch korrekt“.

Fortschrit­te in diese Richtung zeichneten sich bei Merkels Besuch noch nicht ab. Dafür erklärte sie das Dublin-System spät, aber doch für „nicht funktionsf­ähig“. Alle EU-Staaten müssten sich künftig gemeinsam um Flüchtling­e kümmern – eine Kampfansag­e an Orbán und Co. Dissens gibt es also spätestens Ende September beim EU-Gipfel, wo sie auf jene Allianz trifft, die laut Knaus derzeit noch besser organisier­t ist als jene, die das Asylrecht erhalten will – „das muss sich ändern“.

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Etwa 28.000 Migranten sind in diesem Jahr übers Mittelmeer in Spanien angekommen
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Neue Verbündete: Kanzlerin Angela Merkel besuchte Spaniens Premier Pedro Sánchez in Andalusien

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