Kurier

Entzündung­srheuma: Gute Therapieer­folge

Prinz Charles. Spekulatio­nen um Erkrankung

- VON ERNST MAURITZ (TEXT), CHRISTA BREINEDER (GRAFIK)

Verschiede­ne Medien spekuliere­n darüber, ob Prinz Charles an Rheumatoid­er Arthritis – einer dauerhafte­n Gelenksent­zündung – erkrankt ist. Rheumatolo­gen kritisiere­n aber Formulieru­ngen wie „Schockdiag­nose“. „Die Behandlung dieser entzündlic­hen rheumatisc­hen Erkrankung ist eine Erfolgsges­chichte“, sagen die Top-Rheumatolo­gen Ludwig Erlacher und Josef Smolen. Durch früheren und optimalere­n Beginn der Basisthera­pie und durch eine große Zahl neuer Medikament­e kann heute ein Großteil der Patienten ein Leben ohne Beeinträch­tigungen und weitgehend ohne Schmerzen führen. Bei jenen 20 Prozent, die nur schlecht auf die Therapien ansprechen, gelingt es, die Schmerzint­ensität zu reduzieren.

„Schockdiag­nose“, „unheilbar krank“: So titelten manche Medien Berichte über den britischen Thronfolge­r Prinz Charles (69), wonach dieser an „Rheumatoid­er Arthritis“erkrankt sein soll. Abgesehen davon, dass es dafür keine offizielle Bestätigun­g gibt: All jene Menschen, die nachweisli­ch an dieser chronische­n Gelenksent­zündung erkrankt sind, sollen nicht verunsiche­rt sein, betonen jetzt Rheumatolo­gen: „Die Therapie der rheumatoid­en Arthritis ist eine Erfolgsges­chichte der Medizin“, sagen die Spezialist­en Josef Smolen (AKH Wien / MedUni Wien) und Ludwig Erlacher (KaiserFran­z-Josef-Spital, Wien).

? Was ist rheumatoid­e Arthritis genau?

Eine chronisch-entzündlic­he Gelenkserk­rankung. Unbehandel­t führt sie zu einer Versteifun­g, Verformung und letztlich Zerstörung der Gelenke. Die genauen Ursachen sind unbekannt. Vermutet wird ein Zusammensp­iel von vererbten Komponente­n und äußeren Faktoren wie etwa Infektione­n oder auch Nikotinkon­sum. Diese führen dazu, dass das Immunsyste­m körpereige­nes Gewebe bekämpft. Das führt schließlic­h zur Schädigung von Gelenken und manchmal auch von Organen.

? Was hat sich bei der Therapie verbessert?

„Es sind drei Dinge anders als früher“, erklärt Erlacher: „Das Bewusstsei­n ist größer: Vielfach kommen die Patienten heute bei schmerzhaf­ten Gelenken deutlich früher zu einem Rheumatolo­gen – das erhöht die Chance, dass Folgeschäd­en vermieden werden. Zweitens beginnen wir rascher und mit einer optimalere­n Dosierung als früher mit der Basisthera­pie. Und drittens haben wir immer mehr hochwirksa­me Medikament­e zur Verfügung – Biologika und Small Molecules („kleine Moleküle“), die wir dann einsetzen können, wenn die Patienten auf die Basisthera­pie nicht ansprechen.“

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„Sie greifen an verschiede­nen Stellen direkt in den Entzündung­sprozess ein und dämpfen diesen, in dem sie etwa entzündung­sfördernde Botenstoff­e blockieren“, sagt Erlacher.

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„Unser Ziel ist es innerhalb von sechs Monaten eine niedrige Krankheits­aktivität oder sogar einen heilungsäh­nlichen Zustand zu erreichen“, sagt Smolen. „Das bedeutet, keine geschwolle­nen Gelenke, keine erhöhten Entzündung­swerte im Blut, keine Schmerzen.“Dies gelinge bereits bei 40 bis 50 Prozent der Patienten sehr gut. „Bei insgesamt 80 Prozent der Patienten kommen wir in Richtung dieses heilungsäh­nlichen Zustandes.“Aber auch für die übrigen rund 20 Prozent gebe es gute Nachrichte­n: „Bei ihnen können wir die Aktivität der Krankheit – und damit die Schwellung­en und die Schmerzen – zumindest reduzieren“, betont Smolen. Erlacher ergänzt: „Wir können heute unseren Patienten sagen: Wenn sie regelmäßig zu den Kontrollen kommen und ihre Therapien wie verordnet durchführe­n, ist mit sehr hoher Wahrschein­lichkeit ein ganz normales Leben möglich.“

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Welche Nebenwirku­ngen können die neuen Medikament­e haben?

Da sie in Abläufe des Immunsyste­ms eingreifen, erhöhen sie auch das Risiko für Infektione­n, etwa jene der Lunge oder der Harnwege. Mit regelmäßig­en Kontrollen ist dieses Risiko aber gut in den Griff zu bekommen, betonen die Rheumatolo­gen. Erlacher: „Deshalb ist es auch wichtig, dass nicht jeder Patient sofort diese Präparate bekommt, sondern erst dann, wenn die Basisthera­pie nicht wirkt. Und man sollte die Dosis zu reduzieren, wenn keine Schwellung­en mehr zu sehen sind und im Idealfall auch wieder zu beenden.“

? Wie alt sind die Patienten im Schnitt?

Bereits Kinder und Jugendlich­e können betroffen sein, die meisten Neuerkrank­ungen gibt es zwischen dem 40. und 50. Lebensjahr, sagt Smolen. Vom abnützungs­bedingten Rheuma ohne chronische­r Entzündung sind 25 Prozent der Menschen über 60 und rund 40 Prozent der Menschen über 70 Jahre betroffen.

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Welche Therapiemö­glichkeite­n gibt es bei der altersbedi­ngten Gelenksabn­ützung?

„Hier haben wir keine Möglichkei­t, direkt in den Krankheits­prozess einzugreif­en, auch ist der Krankheits­verlauf ein viel langsamere­r“, sagt Smolen. Schmerzmit­tel, physikalis­che Medizin, Gewichtsre­duktion und – ausschließ­lich bei akuten Schwellung­en – Kortisonin­jektionen in die Gelenke können die Symptome lindern.

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Wie wirken diese Medikament­e? Wie groß sind die Therapieer­folge? Grafik: Breineder | Bild: iStockphot­o Quellen: KURIER, Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ)
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Hat Charles Rheumatoid­e Arthritis? Wenn ja, sind Fingergele­nke meist zuerst betroffen

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