Kurier

Obmann-Debatte in der SPÖ geht am Kern ihrer Probleme vorbei

Sozialdemo­kratie. Die SPÖ hat vor fast fünf Jahren schon ihren ersten Platz verloren. Daran waren weder Kern noch Flüchtling­e schuld.

- VON DANIELA KITTNER

Vor Kurzem setzte der Wiener SPÖ-Funktionär Christian Deutsch einen Tweet ab: „Heute vor 10 Jahren wurde Werner Faymann zum Bundespart­eivorsitze­nden gewählt. Bei der NR-Wahl 2008 und 2013 konnte er souverän die relative Mehrheit erringen. Es ist Zeit, die SPÖ wieder derart erfolgreic­h an die Spitze zu führen.“

Deutsch ist ein FaymannNos­talgiker, und die Breitseite in seinem Tweet galt dem amtierende­n SPÖ-Chef Christian Kern. Dessen Anhänger hatten Faymann mittels Pfeif konzert am 1. Mai 2016 aus dem Amt gejagt.

Die Wunde schmerzt manche immer noch, und Deutsch löste mit dem Tweet eine Kern-Debatte aus.

Wenig später gab der burgenländ­ische Landesrat Hans Peter Doskozil der Krone ein Interview, in dem er vor einer „grün-linken FundiPolit­ik“der SPÖ warnte.

Anlass: Kern hatte den Kampf gegen den Klimawande­l als ein zentrales Anliegen des neuen SPÖ-Programms präsentier­t. „Die SPÖ muss sich um Themen kümmern, die die Österreich­er bewegen, und Migration gehört dazu“, moserte Doskozil in der Krone.

Damit vergrößert­e Doskozil die Obmann-Diskussion zu einer Kurs-Debatte.

Seit Tagen bemüht sich die SPÖ, die Flügelkämp­fe einzufange­n und die Vorfälle mit Verweis auf das „Sommerloch“kleinzured­en.

Also alles wieder paletti? Wohl nicht. Die SPÖ hat ein nachhaltig­es Problem, das legen zumindest die Daten nahe (siehe Grafik). Schon seit fast fünf Jahren hat die SPÖ keinen ersten Platz mehr in der Meinungsgu­nst errungen. Im Winter 2013, als sie erstmals auf Platz 2 abglitt, war von Flüchtling­en noch keine Spur und Kern Chef der ÖBB. Die Ereignisse vom Winter 2013 legen andere Ursachen nahe: Damals wur- de ein ambitionsl­oser Koalitions­pakt präsentier­t, der großkoalit­ionäre Lähmung statt Auf bruch versprach. Mit der SPÖ verband man nicht mehr Fortschrit­t und Leadership, sondern Stillstand.

Die Flüchtling­skrise im Sommer 2015 brachte der FPÖ einen Schub. „Bei der Nationalra­tswahl 2017 stellte sich nur mehr die Frage, ob wir gegen Sebastian Kurz oder gegen die FPÖ verlieren“, analysiert ein SPÖler.

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Wie geht es weiter? Spannende Wochen stehen unmittelba­r bevor. Doskozil wird am 8. September zum SPÖ-Chef im Burgenland gewählt. Ab sofort sind alle Augen auf diesen groß inszeniert­en Lan- desparteit­ag gerichtet: Wird dort neuerlich gegen den Bundespart­eichef und dessen Kurs quergescho­ssen?

Das Burgenland ist nur die Ouvertüre. Vier Wochen danach, am 6. Oktober, findet der Bundespart­eitag statt, auf dem sich Christian Kern der Wiederwahl stellt. „Falls Doskozil dort gegen Kern in eine Kampfabsti­mmung geht, wäre das Ergebnis 65 zu 35 für Kern“, sagt ein SPÖ-Kenner. Die Burgenländ­er schwören jedoch, sie stünden ohnehin geschlosse­n hinter Kern als Bundespart­eichef.

Burgenland, Wien und die Steiermark wählen 2020 neue Landtage. Solange die Bundesumfr­agen bleiben, wie sie sind (knapp unter 30 Prozent), sodass die Länder keinen Gegenwind vom Bund verspüren, sehen sie keinen Grund für eine Obmann-Debatte.

Klar ist aber auch: Kern steht unter ständigem Erfolgsdru­ck. Die nächste Zäsur wird die EU-Wahl im Mai 2019. Die SPÖ muss zumindest ihr Niveau von 2014 halten. Damals errang sie 24 Prozent und lag um drei Punkte hinter der ÖVP auf Platz 2.

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