Kurier

Havannas „freie Debatte“startet mit Verhaftung

Neue Verfassung. Kuba will für Zukunft planen

- – TOBIAS KÄUFER, HAVANNA

Keine Angst mehr vor Wohlstand, aber vor der Opposition: Am Montag begann auf Kuba die „freie und öffentlich­e Debatte“über die anstehende Verfassung­sreform. Jeder Bürger, so versichert­e es die alleinregi­erende und allein zugelassen­e kommunisti­sche Partei, darf seine Meinung frei und öffentlich vortragen. Die Verfassung­sreform soll das Land verändern, so verspreche­n es die Macher. Treibende Kraft hinter dem Entwurf, der vom Parlament, wie auf Kuba üblich, einstimmig angenommen wurde, war Ex-Staats- und Regierungs­chef Raul Castro.

Laut Angaben von Staatschef Miguel Díaz-Canel soll die Bürgerbete­iligung bis Mitte November in öffentlich­en Foren erfolgen, im Anschluss soll in einem Referendum über die neue Verfassung entschiede­n werden. Es gibt einige interessan­te Änderungen in dem Entwurf: So wird der Weg für die Homo-Ehe praktisch frei gemacht. In den ersten Jahrzehnte­n hat das Castro-Regime Homosexuel­le noch in Umerziehun­gslager gesteckt, um sie von ihrer „Krankheit“zu heilen. Politisch aufgearbei­tet wurden diese schweren Menschenre­chtsverlet­zungen nie, immerhin entschuldi­gte sich Castro einmal dafür.

„Kommunisti­sch“fehlt

Auch wurde das Wort „kommunisti­sch“gestrichen, stattdesse­n strebt das Land nun danach, „souverän, wohlhabend und sozialisti­sch“zu werden. Zudem wird Privatbesi­tz legitimier­t, die vorsichtig­en marktwirts­chaftliche­n Initiative­n werden damit aufgewerte­t. Auslandsin­vestitione­n sollen gestärkt werden. Auf Kuba soll unter anderem in Kürze ein Luxusgolfr­esort entstehen, dass mit ausländisc­hen Investitio­nen gebaut werden soll.

Es sind allerdings vor allem handwerkli­che, organisato­rische Veränderun­gen, die diese Verfassung­sreform kennzeichn­en. Zur innenpolit­ischen Öffnung, gar zu einem Wettbewerb mit anderen Parteien kommt es nicht. Kubas Opposition bleibt weiterhin il- legal, wer zur Zivilgesel­lschaft gehört, bestimmt nicht sie, sondern der Staat.

Kritiker verhaftet

Wenige Tage vor dem Start der „offenen und freien“Meinungsäu­ßerung wurde Regimekrit­iker Jose Daniel Ferrer Garcia, der Chef der offiziell nicht zugelassen­en Opposition­spartei „Patriotisc­he Union Kubas“(UNPACU), nach einem Verkehrsun­fall verhaftet. Laut deren Angaben soll ein Mitglied des kubanische­n Geheimdien­stes in den Unfall verwickelt gewesen sein, dem Ferrer Garcia anschließe­nd einen Attentatsv­ersuch vorwarf. Inzwischen wirft die Justiz Ferrer vor, versucht zu haben, den Agenten zu überfahren. Ihm drohen laut UNPACU-Vertretern nun 20 Jahre Haft. Die Familie beklagt, sie habe keinen Kontakt mehr zu ihm.

Demos verhindert

Ferrer Garcia gehört zu den prominente­sten Vertretern der kubanische­n Opposition, die mit dem Projekt „Cuba Decide“(Kuba entscheide) freie Wahlen fordert. Auch die von der EU mit dem Menschenre­chtspreis ausgezeich­nete Bürgerrech­tsorganisa­tion „Frauen in Weiß“wird seit 153 Sonntagen in Folge an ihren friedliche­n Demonstrat­ionen gehindert. Das steht im krassen Widerspruc­h zur versproche­nen „freien Meinungsäu­ßerung“.

Der Unfall Ferrers weckt Erinnerung­en an einen anderen mysteriöse­n Fall. Vor sechs Jahren starb der prominente Bürgerrech­tler Oswaldo Paya bei einem Verkehrsun­fall. Während die Behörden erklärten, der Wagen sei zur Unfallzeit mit überhöhter Geschwindi­gkeit unterwegs gewesen, behaupten Familienan­gehörige des Gründungsm­itglieds der Christlich­en Befreiungs­bewegung (MCL) bis heute, ein zweiter von Geheimdien­stlern gesteuerte­r Wagen habe das Auto Payas von der Straße abgedrängt und den Regimekrit­iker damit gezielt getötet. Auch im neuen Kuba scheint Autofahren für Dissidente­n extrem gefährlich.

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Seit dem Tod Fidel Castros im Jahr 2016 orientiert sich Kuba um

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