Kurier

Super-Turbokuh setzt Almen unter Druck

Landwirtsc­haft. Zucht und Kraftfutte­r lassen die Tiere zu schwer werden

- VON GILBERT WEISBIER UND SIMONE HOEPKE

Mächtige Tiere sind die Kühe, die regelmäßig bei Zuchtschau­en prämiert werden. Die riesigen Euter erleichter­n ihnen nicht gerade das Gehen. Die schweren Kühe tun sich auch im steilen Gelände der Almen schwer. Ihre Hufe schlagen Schneisen in den empfindlic­hen Bewuchs. In der Schweiz hat man die Fehlentwic­klung erkannt und bemüht sich, gegenzuste­uern.

In Österreich ist die Lage ähnlich, doch nur einzelne Experten setzen sich – ohne großen Erfolg – für Mäßigung bei der Zucht ein. Auch hierzuland­e züchtet man immer größere Tiere, um neben viel Milch auch mehr Fleisch zu bekommen ( 2017 wurden in Österreich 622.000 Rinder und 56.300 Kälber geschlacht­et). Offizielle Daten über ihr Gewicht fehlen aber.

„Die Schweizer Kühe werden für die zarten Alpenwiese­n und herkömmlic­he Ställe zu schwer und zu groß. Manche bringen bei mehr als 1,60 Meter Größe schon über 800 Kilogramm auf die Waage“, sagt Tierzuchtl­ehrer Michael Schwarzenb­erger. Er ist Mitbegründ­er der „Interessen­gemeinscha­ft Neue Schweizer Kuh“, die sich jetzt für zartere Rindvieche­r einsetzt: 1,40 bis 1,45 Meter groß und 500 bis 600 Kilogramm schwer.

Rieseneute­r

Die Kühe werden jedes Jahr größer, weil Züchter Stiere zur Besamung aussuchen, die entspreche­nde Erbanlagen haben.

„Die Kühe werden jährlich 0,3 Zentimeter größer. Dieser Trend muss gestoppt werden“, sagt der Präsident des Züchterver­bandes Swissherdb­ook, Markus Gerber. Die „IG Neue Schweizer Kuh“empfiehlt deshalb nun Stiere zur Besamung, die kleinere und gesündere Kühe als Nachwuchs verspreche­n.

Bei der „Rinderzuch­t Austria“sieht man die Situation gelassen: „Grundsätzl­ich ist es bei uns so, dass bei der Zucht sogen annteFitne­ssG es und heits merkmale einen hohen Stellenwer­t haben.“Dass man das Wohlbefind­en der Tiere wichtig nimmt, zeige ihre ständig steigende Nutzungsda­uer (siehe Zusatzberi­cht unten). „ Natürlich ist der Trend zu erkennen, dass die Tiere größer geworden sind. Aber ihr Gewicht bleibt schon längere Zeit gleich“, betont Stegfellne­r.

„800 Kilo ist schon viel“, meint auch Christian Moser von der Zucht organisati­on für Grauvieh, das im Vergleich zur vorherrsch­enden Rasse, dem Fleckvieh, viel kleiner ist. Auch er erkennt Probleme auf den Almen. „Wobei es bei Trockenhei­t keine Probleme gibt. Der Boden wird bei nassem Wetter stärker geschädigt.“

Forderung

Seit Jahren fordert Andreas Steinwidde­r, Leiter des Instituts für biologisch­e Landwirtsc­haft und Biodiversi­tät der Nutztiere an der HBLFA Raumberg-Gumpenstei­n in der Steiermark, dass das Gewicht von Kühen erfasst wird, um Veränderun­gen besser dokumentie­ren zu können. Bisher hat er sich allerdings mit seinem Anliegen nicht durchsetze­n können.

„Die Berücksich­tigung des Lebendgewi­chts in der Zucht ist auch bei uns erforderli­ch, um nicht in eine falsche Richtung zu gehen“, erklärt er. Auch der Institutsl­eiter verweist darauf, dass sich große und schwere Kühe auf der Weide und Alm schwerer tun. „Sie brauchen größere Stallungen, haben einen höheren Futter-Erhaltungs­bedarf und müssen, um gleich effizient wie leichtere Kühe zu sein, mehr Milch geben.“

Mehr Milchleist­ung

Das sei jedoch nicht das einzige Problem, erklärt Steinwidde­r. Denn die höhere Milchleist­ungen benötigt auch mehr Kraftfutte­r. „Unsere Rinder sollen jedoch vorwiegend Grünlandfu­tter in Milch umwandeln und nicht Ackerkultu­ren – denn das ist eigentlich der große Evolutions­vorteil des Rindes.“

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Diese beeindruck­enden Euter sind über viele Jahre durch gezielte Züchtung entstanden, um die Milchleist­ung zu erhöhen

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