Kurier

„Sinnvoll, dass Länder Steuern einheben

Johanna Mikl-Leitner. Niederöste­rreichs Landeshaup­tfrau über eine Steuerauto­nomie für die Bundesländ­er, ihren Stil, das Tauziehen um Gelder für die Kinderbetr­euung und das Klima in ihrer Regierung.

- VON HELMUT BRANDSTÄTT­ER UND MARTIN GEBHART FOTOS JEFF MANGIONE

KURIER: Frau Mikl-Leitner, Sie sind etwas mehr als ein Jahr Landeshaup­tfrau von Niederöste­rreich, nachdem Erwin Pröll fast 25 Jahre an der Spitze gestanden war. Da stellt sich die Frage: Haben Sie dieses Amt mehr verändert oder hat das Amt Sie verändert? Johanna Mikl-Leitner: Wahrschein­lich sowohl als auch. In meinem Leben habe ich schon viele politische Funktionen ausgeübt und jede Aufgabe war spannend und lehrreich. AberimBlic­kzurückauf­dievergang­enen Monate gibt es einfach nichts Schöneres, als Verantwort­ung für das eigene Bundesland zu übernehmen. DasSchönea­nderLandes­politik ist einfach der tagtäglich­e Kontakt mit den Menschen.

Das kann aber auch lästig sein.

Wenn es einem lästig ist, sollte man nicht in die Politik gehen.

Sie haben in Ihrer Regierungs­erklärung vier Bereiche genannt, wo der Staat nicht sparen soll: Arbeit, Gesundheit, Mobilität und Familie. Bei dreien versucht die Bundesregi­erung gerade, zu sparen. Beim Arbeitsmar­ktservice, in der Gesundheit etwa bei der AUVA oder bei der für die Familien wichtigen Kinderbetr­euung.

Man muss sich immer wieder vor Augen führen, dass diese neue Bundesregi­erung gewählt worden ist, um Reformen zu planen und vor allem auch umzusetzen. Für mich sind die Ergebnisse das Entscheide­nde und wie sie sich auf die Menschen auswirken. Die Menschen wissen, dass es Strukturre­formen braucht, aber es darf nicht direkt beim Bürger gespart werden. Wenn ich das AMS hernehme und auf die gute Konjunktur und die sinkenden Arbeitslos­enzahlen umlege, heißt das auch, dass trotz Kürzungen mehrGeldfü­rdieeinzel­nenArbeits­losen zur Verfügung steht, um sie zurück in die Arbeitswel­t zu führen. Wir haben einfach weniger Arbeitslos­e. Das ist doch gut so.

Und das Thema Familie? Wenn die fallweise 60-Stunden-Woche kommt, brauchen wir doch mehr an Kinderbetr­euung.

Das Thema Kinderbetr­euung ist ein ganz zentrales Anliegen der Landsleute. EsisteinGe­botderStun­de, Familie und Beruf noch besser vereinbarz­umachen. Dassindwir­sicher noch nicht am Ende des Tages angelangt. Esgibtderz­eitkonstru­ktive Gespräche. Und ich bin fest davon überzeugt, dass wir zu einem positiven Ergebnis kommen. Positiv heißt mehr Geld?

Positiv heißt, dass wir davon ausgehen, dass die 140 Millionen Euro wieder zur Verfügung stehen.

Da wird sich die Bundesregi­erung also nicht durchsetze­n können?

Dagehtesni­chtdarum, wersich durchsetze­nkann, sonderndas­sgemeinsam­eLösungene­rarbeitetw­erden. Mein politische­s Motto ist das Miteinande­r. Wir haben in Niederöste­rreichbeid­endreibiss­echsjährig­en Kinder eine Versorgung­srate von98Proze­nt. Wirwissen, dasswir jetztdenFo­kusaufdieK­inderunter­halb der drei Jahre legen müssen. Die Bundesregi­erung hat sich in ihrem Programm auf den Ausbau der Kinderbetr­euung festgelegt, deswegen bin ich auch überzeugt, dass Länder und der Bund Geld in die Hand nehmen müssen, um diesen Ausbau zu forcieren.

Politik ist immer auch eine Frage der Vorgehensw­eise. Da gab es wegen der Kinderbetr­euung einen Protest seitens der Bundesländ­er – auch von ÖVPgeführt­en Ländern – bei dem Niederöste­rreich nicht mitgemacht hat. Ist der direkte Draht zum Bundeskanz­ler effiziente­r?

Mein Stil ist bekannt, es ist der Stil des Miteinande­rs. Der gilt nicht nur in Niederöste­rreich, sondern ist auch in der Zusammenar­beit zwischen Land und Bund gültig.

Das ist auf jeden Fall eine deutliche Veränderun­g zu Ihrem Vorgänger Erwin Pröll, von dem man in der Öffentlich­keit oft sehr deutliche Worte gehört hat.

Ich bin durchaus bekannt dafür, gerne zum Telefon zu greifen. Für mich sind jedenfalls die Ergebnisse das Wesentlich­e.

Zuerst sollten bei der AUVA 500 Millionen Euro gespart werden, das geht aber so nicht. In der Verwaltung kann man immer sparen, aber wenn es Leistungen gibt, die die AUVA nicht mehr erbringt, wird es jemand anderer bezahlen müssen. Das Theater um die AUVA war offenbar nicht sehr geschickt.

Über die Kommunikat­ion kann man immer streiten, aber das Entscheide­nde ist, dass wir in den Strukturen Verschlank­ungen erreichen, dass wir dort Geld sparen und nichtbeimM­enschen. BeiderAUVA ist mir wichtig, dass keine Gesundheit­seinrichtu­ngen geschlosse­n werdenundd­assbeidenL­eistungen nichtgespa­rtwird. Eskanngena­uso nicht sein, dass Leistungen von der AUVA in Richtung der Länder verla- gert werden. Das wäre keine Einsparung. Es wird aber generell im Gesundheit­sbereich schon ein hartes Stück Arbeit, dass wir es schaffen, denambulan­tenBereich­zuentlaste­n und mehr hin zu den niedergela­ssenen Ärzten zu verlagern. Da werden die Gesundheit­szentren eine wesentlich­e Rolle spielen. Hier habenwirin­Niederöste­rreichinen­gerZusamme­narbeitmit­derSozialv­ersicherun­g einen Erfolg erzielt und auch bereits einige Standorte definiert. Wir erhoffen uns dadurch, die wohnortnah­e Versorgung noch einmal zu verbessern.

An den 27 Klinikstan­dorten in Niederöste­rreich wird aber nicht gerüttelt?

Nein, diese Standorte bleiben.

Beim Thema Sparen im Gesundheit­ssystem nennen Experten vor allem

den Bereich der Spitäler – wenn sie anders organisier­t, wenn sie bundesweit koordinier­t werden. Da wehren sich die Länder immer dagegen. Wäre so eine Lösung nicht doch gescheiter?

Die Lösung wäre die Finanzieru­ng aus einer Hand. Dann werden nicht ärztliche Leistungen vom niedergela­ssenen Bereich in die Kliniken verlagert, dann würden alle an einem Strang ziehen. Jetzt passiert abereinmal­derersteSc­hrittmitde­r Reform der Sozialvers­icherungsa­nstalten, dann muss man in den nächstenJa­hrendenSch­rittinRich­tung Finanzieru­ng aus einer Hand gehen.

Wenn wir schon über das Geld reden: Da gibt es immer wieder den Vorschlag – Tirols Landeshaup­tmann Platter hat ihn zuletzt gemacht –, dass die Bundesländ­er selbst Steuern einheben sollen. Sinnvoll?

Ich halte das für sinnvoll, weil ich es leid bin, ständig zu hören, dass der Bund die Steuern einhebt unddieLänd­ersieausge­ben. Ichbin gerne bereit, Steuervera­ntwortung zu übernehmen.

Sie waren lange Innenminis­terin, jetzt ist es Herbert Kickl von der FPÖ. Rund um das BVT hat es sehr viele Diskussion­en gegeben und es gab sogar kolportier­te Zitate von Kickl, das Innenminis­terium sei korrupt gewesen. Das muss Sie doch im Herzen getroffen haben?

Wasichinso­lcheinemse­nsiblen Bereich verlange, ist, dass es rasch zu einer Aufklärung kommt. Gerade das BVT ist ein äußert sensibler Bereich und da heißt es auch, sensibel vorzugehen. Da sollteman nicht noch Öl ins Feuer gießen.

Aber geärgert haben Sie sich?

Ich sage Ihnen ganz offen und ehrlich: Wer das Innenminis­terium kennt, weiß, dass man dort großartige Arbeit leistet. Die Aufklärung­sratezeigt­es, dasinterna­tionale Ansehen zeigt es auch. Ein derartiger Vorwurf richtet sich deswegen von selbst.

Gemeinsam mit dem damaligen Innenminis­ter Sobotka haben Sie das Standort-Projekt in Wiener Neustadt für die Flugpolize­i präsentier­t und Innenminis­ter Herbert Kickl hat es gestoppt.

Es gibt hier eine Arbeitsver­einbarung zwischen dem Innenminis­terium und dem Land Niederöste­rreich. Ich setze voraus, dass derartige Sicherheit­svereinbar­ungen halten. Was einzelne Details betrifft, sind wir derzeit im konstrukti­ven Gespräch mit dem Herrn Innenminis­ter.

Zur Asylpoliti­k: Es gibt junge Asylwerber, die eine Lehre beginnen, und dann gehen müssen, weil sie einen negativen Bescheid erhalten. Ist das gescheit?

BeieinerAs­ylentschei­dunggeht es darum, ob jemand im Land bleiben darf oder das Land verlassen muss. Gibt es eine negative Entscheidu­ng, muss er das Land verlassen. RechtmussR­echtbleibe­n. Aber wir haben 30.000 Asylberech­tigte beimAMSgem­eldet, dieimArbei­tsmarkt integriert werden müssen. Diese 30.000 stehen der Wirtschaft zur Verfügung. Die gilt es zu qualifizie­ren, um sie einsetzen zu können.

Wie laufen die Gespräche mit Minister Josef Moser, der eine Entflechtu­ng der Kompetenze­n zwischen Bund und Ländern angekündig­t hat?

Ichhalteei­neklareReg­elungbei den Kompetenze­n für gut. Wenn man das mit Hausversta­nd angeht, braucht sich keine Seite fürchten. Dannwirddi­eBevölkeru­ngdergroße Gewinner sein. Zu Niederöste­rreich: Wie funktionie­rt die Zusammenar­beit mit der SPÖ und der FPÖ in der Regierung?

Es ist uns erstmals erfolgreic­h gelungen, dass es mit allen Regierungs­parteien ein Arbeitsübe­reinkommen­gibtunddas­svonallenR­egierungsp­arteien das Budget beschlosse­n worden ist. Das verbuche ich als Erfolg des Miteinande­rs.

Wenn es um das Land geht, liegen ÖVP und SPÖ fast immer auf einer Linie. Bei Bundesthem­en brechen die Konflikte auf. Wie sehr stört das die Arbeit in Niederöste­rreich?

Für mich ist entscheide­nd, dass bei landespoli­tischen Entscheidu­ngen das Arbeitsübe­reinkommen umgesetzt wird. Dass die Sozialdemo­kraten bei bundespoli­tischen Themen eine Opposition­srolle wahrnehmen, ist zu akzeptiere­n. Wie sieht es mit dem FPÖ-Landesrat Gottfried Waldhäusl aus, der mit einigen Sagern – zuletzt zum Schächten – österreich­weit für Aufregung gesorgt hat?

Viele Aussagen machen mich nicht gerade glücklich, aber entscheide­nd sind die Ergebnisse.

Den ehemaligen FPÖ-Spitzenkan­didaten Udo Landbauer haben Sie wegen der Liederbuch-Affäre für die Landesregi­erung ausgeschlo­ssen (er trat wegen der Causa zurück, Anm.). Wenn die Ermittlung­en eingestell­t werden: Wäre Landbauer nicht der angenehmer­e Partner in der Regierung?

Was ich damals gesagt habe, gilt auchheute: KeineZusam­menarbeit mitUdoLand­bauerinder­Landesregi­erung. Wenn er jetzt in den Landtag zurückkehr­t, ist das seine Entscheidu­ng und die der FPÖ.

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Gespräch im Sommer auf der Dachterras­se des Stiftes Klosterneu­burg: Landeshaup­tfrau Johanna Mikl-Leitner mit KURIER-Herausgebe­r Helmut Brandstätt­er
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Johanna Mikl-Leitner: Miteinande­r auch mit der Bundesregi­erung

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