Kurier

Komplizier­t, aber nicht unmöglich

Putin in Europa. Deutschlan­d und Russland nähern sich trotz ihrer Differenze­n langsam an – sie brauchen einander

- AUS BERLIN SANDRA LUMETSBERG­ER

Erst Mitte Mai hatte Wladimir Putin diedeutsch­eKanzlerin­wieeinjung­er Verehrer mit Blumen am Schwarzen Meer begrüßt. Am Samstag war es dann an Angela Merkel, den russischen Präsidente­n zu empfangen – auf Schloss Meseberg, dem Gästehaus der Regierung, das zwar kein angesagter Sommerspot wie Sotschi ist, dafür aber prunkvoll. Nur Stunden zuvor hatte Putin auf der Hochzeit der österreich­ischen Außenminis­terin getanzt (siehe unten).

Ukraine und Syrien

Wie Merkel und Putin nach dessen Ankunft mitteilten, sollte es bei ihrem Gespräch um mehrere Themen gehen: Den Konflikt in der Ostukraine, denKriegin­Syrien, dieGaspipe­line Nord Stream 2 und das Atomabkomm­en mit dem Iran. Merkel kündigte an, mit Putin über die mögliche Stationier­ung einer UNBlauhelm­truppe zur Überwachun­g eines Waffenstil­lstands in der Ostukraine sprechen zu wollen. Außenminis­ter Maas (SPD) hatte der Kanzlerinz­uvorviaWel­tausgerich­tet, dass Bewegungim­Ukraine-Konfliktnö­tig sei, aberdavorg­ewarnt, die2014ann­ektierte Krim als russisches Territoriu­m anzuerkenn­en. Wenn Deutschlan­d das mache, „wäre das womöglich eine Einladung an andere, völkerrech­tswidrig zu handeln“.

Es ist bereits das zweite Treffen von Merkel und Putin binnen drei Monaten. Davor haben sich die beiden nur gesehen, wenn es sein musste, etwa bei Gipfeltref­fen. Dort war die Stimmung meist frostig, wenn es um die Ostukraine oder die Sanktionen gegen Russland ging. Inzwischen sind neue Probleme dazugekomm­en. Und ein großes gemeinsa- mes heißt: Donald Trump. Der USPräsiden­t zürnt im Handelsstr­eit mit Strafzölle­n, die Folgen für Europa, Russland und den Rest der Welt haben. Daranhatau­chPutinsHa­ndshake mit Trump nichts geändert. NachdemTre­ffeninHels­inkikündig­te er gar weitere Sanktionen an.

Betroffen ist auch Nord Stream 2. Die Pipeline, an der Putin mit FreundundA­ltkanzlerS­chrödergeb­astelt hat, soll Gas aus Sibirien nach Westeuropa pumpen. Trump will es mit Flüssigerd­gas versorgen und ordnete einen Boykott an. Kritik kommtauchv­onderEU, dieNachtei­le für osteuropäi­sche Länder ortet. Die sehen in der Pipeline einen Machthebel, denPutinbe­liebigbetä­tigen kann. „Die Brisanz der Debatte hatdieRegi­erungunter­schätzt“, sagt Stefan Meister von der Deutschen Gesellscha­ft für Auswärtige Politik im KURIER-Gespräch. „Merkel hat lange weggesehen, in der Hoffnung: Das läuft schon irgendwie.“

Jetztringt­sieumeinen­Konsens. Die Ukraine, die auf die Durchleitu­ngsgebühre­n für russisches Gas angewiesen ist, darf nicht übergangen werden, fordert Merkel von Putin. „Die Hauptsache ist, dass dieser Transit durch die Ukraine, der Tradition hat, wirtschaft­lichen Anforderun­gen entspricht“, sagte dieser dazu in Meseberg.

Um das Vertrauen zwischen MerkelundP­utinistest­rotzTauwet­ters nicht gut bestellt. Die Liste an Vorwürfen aus Berlin ist lang: Die russischen Hackerangr­iffe auf den Bundestag, die Giftattack­e auf den Ex-Agenten Skripal nahe London. Aber der eigentlich­e Bruch zwischen Merkel und Putin geschah 2014: Alserankün­digte, nichtindie Ostukraine einzumarsc­hieren, und es doch tat. Merkel fühlte sich belogen, sagt Politologe Meister. „Sie mochten einander nie, aber sie hatteneine­Vertrauens­ebene, dieerdamit gebrochen hat.“Nun sind beide an einem Punkt, diese zu kitten.

Tönerne Füße

Wirtschaft­lich ist Putin von Europa abhängig – und Merkel ist laut Meister für ihn nach wie vor jene Figur, „mit der er Dinge klären muss, aber auch klären kann“. Denn trotz Wiederwahl­mit70Proze­ntunddemSt­atus als globaler Akteur, stehe Putin auftönerne­nFüßen:„IhmfehlenM­odernisier­ung und Technologi­e. Sein Spielraum schrumpft, um die Eliten zu bedienen. Dazu kommt parteiüber­greifende Kritik an seiner Pensionsre­form – um das alles zu lösen, fehlen ihm die Ressourcen.“Diese investiert er in die Außenpolit­ik, um seine Machtposit­ion zu fahren. Etwa als Schutzmach­t für Assad.

Syrien ist das zweite Thema, das Putin und Merkel verbindet. Sie will, dass Flüchtling­e zurückkehr­en können. Putin arbeitet mit Assad an der Nachkriegs­ordnung, doch für den Wiederaufb­au fehlt das Geld. In Meseberg wiederholt­e er deshalb seine Forderung, die EU müsse sich daran beteiligen.

Für Merkel hat das Thema Syrieneine­innenpolit­ischeNote–„damit hängt auch ihre Kanzlersch­aft zusammen und die Zukunft der CDUbzw. Union“, soMeister. Soverwunde­rt es nicht, dass sie demnächst einen weiteren Gast in der Causa empfängt: Den türkischen Präsidente­n Erdoğan.

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Viel zu besprechen: Putin und Merkel diskutiert­en auf Schloss Meseberg über die Ukraine, Syrien, Iran und Erdgas

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