Kompliziert, aber nicht unmöglich
Putin in Europa. Deutschland und Russland nähern sich trotz ihrer Differenzen langsam an – sie brauchen einander
Erst Mitte Mai hatte Wladimir Putin diedeutscheKanzlerinwieeinjunger Verehrer mit Blumen am Schwarzen Meer begrüßt. Am Samstag war es dann an Angela Merkel, den russischen Präsidenten zu empfangen – auf Schloss Meseberg, dem Gästehaus der Regierung, das zwar kein angesagter Sommerspot wie Sotschi ist, dafür aber prunkvoll. Nur Stunden zuvor hatte Putin auf der Hochzeit der österreichischen Außenministerin getanzt (siehe unten).
Ukraine und Syrien
Wie Merkel und Putin nach dessen Ankunft mitteilten, sollte es bei ihrem Gespräch um mehrere Themen gehen: Den Konflikt in der Ostukraine, denKrieginSyrien, dieGaspipeline Nord Stream 2 und das Atomabkommen mit dem Iran. Merkel kündigte an, mit Putin über die mögliche Stationierung einer UNBlauhelmtruppe zur Überwachung eines Waffenstillstands in der Ostukraine sprechen zu wollen. Außenminister Maas (SPD) hatte der KanzlerinzuvorviaWeltausgerichtet, dass BewegungimUkraine-Konfliktnötig sei, aberdavorgewarnt, die2014annektierte Krim als russisches Territorium anzuerkennen. Wenn Deutschland das mache, „wäre das womöglich eine Einladung an andere, völkerrechtswidrig zu handeln“.
Es ist bereits das zweite Treffen von Merkel und Putin binnen drei Monaten. Davor haben sich die beiden nur gesehen, wenn es sein musste, etwa bei Gipfeltreffen. Dort war die Stimmung meist frostig, wenn es um die Ostukraine oder die Sanktionen gegen Russland ging. Inzwischen sind neue Probleme dazugekommen. Und ein großes gemeinsa- mes heißt: Donald Trump. Der USPräsident zürnt im Handelsstreit mit Strafzöllen, die Folgen für Europa, Russland und den Rest der Welt haben. DaranhatauchPutinsHandshake mit Trump nichts geändert. NachdemTreffeninHelsinkikündigte er gar weitere Sanktionen an.
Betroffen ist auch Nord Stream 2. Die Pipeline, an der Putin mit FreundundAltkanzlerSchrödergebastelt hat, soll Gas aus Sibirien nach Westeuropa pumpen. Trump will es mit Flüssigerdgas versorgen und ordnete einen Boykott an. Kritik kommtauchvonderEU, dieNachteile für osteuropäische Länder ortet. Die sehen in der Pipeline einen Machthebel, denPutinbeliebigbetätigen kann. „Die Brisanz der Debatte hatdieRegierungunterschätzt“, sagt Stefan Meister von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik im KURIER-Gespräch. „Merkel hat lange weggesehen, in der Hoffnung: Das läuft schon irgendwie.“
JetztringtsieumeinenKonsens. Die Ukraine, die auf die Durchleitungsgebühren für russisches Gas angewiesen ist, darf nicht übergangen werden, fordert Merkel von Putin. „Die Hauptsache ist, dass dieser Transit durch die Ukraine, der Tradition hat, wirtschaftlichen Anforderungen entspricht“, sagte dieser dazu in Meseberg.
Um das Vertrauen zwischen MerkelundPutinistestrotzTauwetters nicht gut bestellt. Die Liste an Vorwürfen aus Berlin ist lang: Die russischen Hackerangriffe auf den Bundestag, die Giftattacke auf den Ex-Agenten Skripal nahe London. Aber der eigentliche Bruch zwischen Merkel und Putin geschah 2014: Alserankündigte, nichtindie Ostukraine einzumarschieren, und es doch tat. Merkel fühlte sich belogen, sagt Politologe Meister. „Sie mochten einander nie, aber sie hatteneineVertrauensebene, dieerdamit gebrochen hat.“Nun sind beide an einem Punkt, diese zu kitten.
Tönerne Füße
Wirtschaftlich ist Putin von Europa abhängig – und Merkel ist laut Meister für ihn nach wie vor jene Figur, „mit der er Dinge klären muss, aber auch klären kann“. Denn trotz Wiederwahlmit70ProzentunddemStatus als globaler Akteur, stehe Putin auftönernenFüßen:„IhmfehlenModernisierung und Technologie. Sein Spielraum schrumpft, um die Eliten zu bedienen. Dazu kommt parteiübergreifende Kritik an seiner Pensionsreform – um das alles zu lösen, fehlen ihm die Ressourcen.“Diese investiert er in die Außenpolitik, um seine Machtposition zu fahren. Etwa als Schutzmacht für Assad.
Syrien ist das zweite Thema, das Putin und Merkel verbindet. Sie will, dass Flüchtlinge zurückkehren können. Putin arbeitet mit Assad an der Nachkriegsordnung, doch für den Wiederaufbau fehlt das Geld. In Meseberg wiederholte er deshalb seine Forderung, die EU müsse sich daran beteiligen.
Für Merkel hat das Thema SyrieneineinnenpolitischeNote–„damit hängt auch ihre Kanzlerschaft zusammen und die Zukunft der CDUbzw. Union“, soMeister. Soverwundert es nicht, dass sie demnächst einen weiteren Gast in der Causa empfängt: Den türkischen Präsidenten Erdoğan.