Kurier

Die öffentlich­e Hand baut selten billig

Millioneng­räber. Bei heimischen Infrastruk­tur-Großprojek­ten fehlen generelle Spielregel­n – und häufig Expertisen

- VON ANDREAS PUSCHAUTZ UND JOSEF GEBHARD

Klüger, das wissen auch alle Bauherren, klügeristm­animmer erst hinterher. Folglich wird erst 2020 feststehen, ob der Umbau des Parlaments ein Erfolg gewesen sein wird – oder das nächste in der langen Reihe öffentlich­er Bauvorhabe­n, die entweder ihre Zeitvorgab­enoderihre­nBudgetrah­men, gerne aber auch beides überschrei­ten.

Krankenhau­s Nord, Skylink, Stadthalle­nbad – alleine in der jüngeren Vergangenh­eit gibt es dafür genügend Beispiele.

Aber warum ist das so? Experten nennen auf Nachfrage eine ganze Reihe von Gründen von schwankend­er Konjunktur bis zur politische­n Einflussna­hme. Allen voran aber Bauherren, dieinderMa­terienicht­sattelfest sind (siehe Artikel rechts). Oder wie es Christian Kühn, Studiendek­an der Architektu­r an der TU Wien, formuliert: An den entscheide­nden Stellen sitzen zu oft Menschen, „die vom Bauen keine Ahnung haben“.

Freilich sind öffentlich­e Millioneng­räber kein Österreich-Spezifikum. Ein Blick nach Deutschlan­d zeigt: Auch dort hat man in den letzten Jahren mit der Hamburger Elbphilhar­monie, dem BahnhofStu­ttgart21un­ddem neuenBerli­nerFlughaf­eneine wenigerbau­licheSerie­öffentlich­er Projekte hingelegt.

Strategisc­he Täuschung

In Zahlen: 2015 ergab eine Untersuchu­ng 87 deutscher Großbaupro­jekteeined­urchschnit­tliche Kostenüber­schreitung von 44 Prozent. Als Gründe nennt die Studie unter anderem unerfahren­e Planer, Über-Optimismus – also unterschät­zte Risiken und überschätz­te Vorteile – und strategisc­he Täuschung seitens der Politik. Oder in Kühns Worten: „Niedrigere Kosten angeben, damit man es politisch durchbring­t.“

Einen anderen Weg ging man in Großbritan­nien, wo seit 2010 eine eigene Behörde alle großen Infrastruk­turprojekt­e von Beginn an begleitet, evaluiert – und bei Fehlentwic­klungen auch eingreift. Eine Empfehlung, die auch die deutsche Studie der Politik mit auf den Weg gab.

Kärntner Vorzeigefa­ll

Freilichbr­auchtesnic­htzwingend eine Behörde, um ordentlich zu bauen. Nur den Mut, sich mangelnde Expertise einzugeste­hen.

Der 2010 eröffnete Neubau des Klinikums Klagenfurt gilt als Musterbeis­piel. Das lag für den Generalpla­ner HeinzPrieb­ernigvoral­lemam – extern zugekaufte­n – und „sehr starken“Bauherren. Sowie der umfassende­n Planungunt­erEinbezie­hungaller späteren Nutzer schon in der Vorentwurf­sphase. Ohnehin ist Priebernig aber überzeugt, dass „öffentlich­e Auftraggeb­er nicht in der Lage sind“, ohne externe Expertise Projekte gut abzuwickel­n.

Die nötige Expertise gibt es auch vom Rechnungsh­of. Würde man aus dessen Prüfberich­ten künftige ProjektSpi­elregeln ableiten, wäre auch schon viel geholfen, ist Kühn überzeugt.

 ??  ?? Parlament. Für den Umbau des Hohen Hauses wurde ein gesetzlich­er Kostendeck­el von 352,2 Millionen Euro festgeschr­ieben. Einer drohenden Überschrei­tung dieses Rahmens wegen der hohen Baukonjunk­tur wurde im Jänner mit kleineren Umplanunge­n entgegenge­treten. Bis März 2021 sollen alle Abgeordnet­en und Mitarbeite­r aus den Ausweichqu­artieren rückübersi­edelt werden.
Parlament. Für den Umbau des Hohen Hauses wurde ein gesetzlich­er Kostendeck­el von 352,2 Millionen Euro festgeschr­ieben. Einer drohenden Überschrei­tung dieses Rahmens wegen der hohen Baukonjunk­tur wurde im Jänner mit kleineren Umplanunge­n entgegenge­treten. Bis März 2021 sollen alle Abgeordnet­en und Mitarbeite­r aus den Ausweichqu­artieren rückübersi­edelt werden.
 ??  ?? Krankenhau­s Nord. Das Großspital in Wien Floridsdor­f hätte 2016 eröffnet werden sollen. Mittlerwei­le geht man von einem Vollbetrie­b im Herbst 2019 aus. Die Kosten kletterten von ursprüngli­ch 825 Millionen auf mindestens 1,3 Milliarden Euro. Der Rechnungsh­of kritisiert, dass dem Bauträger (Wiener Krankenans­taltenverb­und) das Know-how für das Projekt fehlte.
Krankenhau­s Nord. Das Großspital in Wien Floridsdor­f hätte 2016 eröffnet werden sollen. Mittlerwei­le geht man von einem Vollbetrie­b im Herbst 2019 aus. Die Kosten kletterten von ursprüngli­ch 825 Millionen auf mindestens 1,3 Milliarden Euro. Der Rechnungsh­of kritisiert, dass dem Bauträger (Wiener Krankenans­taltenverb­und) das Know-how für das Projekt fehlte.

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