Vegetarisch, Verlorener, Vatermord
Naturkost. Matthias Franz Stein über seine neue Rolle an der Josefstadt und sein Kabarett mit Erwin Steinhauer
Ein Schiff mit Passagieren, die aus ihrer Heimat flüchten müssen. Das am geplanten Zielhafen nicht anlegen darf. Das weiterfährt, aber auchimnächstenHafennicht aufgenommen wird.
DasStück, dasSchauspieler Matthias Franz Stein derzeit im Theater in der Josefstadt probt, hat erschreckende Aktualität. Es ist Daniel Kehlmanns neuestes Drama „Die Reise der Verlorenen“, das auf dem Buch „Voyage of the Damned“und einer wahrenGeschichtebasiert. ImMai 1939 bestiegen in Deutschland 937 Juden ein Schiff Richtung Kuba und glaubten, indieFreiheitzufahren...
„Es ist schlimm“, sagt Matthias Franz Stein, der einen der jüdischen Passagiere spielt. „Bis jetzt hat man bei der Geschichte nur an den Nationalsozialismus gedacht. Und auf einmal gibt es ganz andere Assoziationen. Es müsste in uns allen ganz laut schreien. Weil sich daetwaswiederholt. Weilwir schon wissen, dass die Haltung, andere Menschen nicht aufnehmen zu wollen, dass die Angst, zu kurz zu kommen, nurindenAbgrund führt.“
Aber dann glaubt Matthias Franz Stein auch, dass der Mensch letztendlich konstruktivwieauchdestruktivist, dass er baut und dann wieder zerstört. „Wie eine Zelle. Wie eine Krebszelle.“
Politik zu Mittag
Was für ein Thema für ein leichtes Mittagessen. Der Schauspieler lacht. Aber in Zeiten wie diesen müsse man nun einmal politisch sein. Er sticht in seine gefüllten Teigtaschen.
Matthias Franz Stein sitzt im sonnigen Gastgarten der Naturkost St. Josef (Zollergasse
26). Das Geschäft samt Selbstbedienungsrestaurant hat er vor vielen Jahren schätzen gelernt. Weil er als Ausgleich zu Kalbsstelze oder Ripperl gern vegetarisch isst. Und weil das Mittagsmenü erfrischend und nicht zu schwer ist.
Vor 30 Jahren hat Othmar Holzinger das Geschäft eröffnet. Er wollte einen vegetarischen Bio-Laden, in dem die Produkte, die verkauft, auch verkocht werden. Seine Freunde hatten ihre Zweifel. AberHolzingerglaubteansich – und heute ist er froh darüber, weildasKonzeptsogaräußerst gut angenommen wird.
Das An-sich-Glauben, das Bei-sich-Bleiben hat Matthias Franz Stein mit Holzingergemein. Oftwerdeihmsogar nachgesagt, dass er arrogant oder grantig wirke, dass er angriffslustig sei, sagt der Schauspieler. Er zuckt mit den Schultern. „Weil ich ausspreche, was ich denke. Und in der heutigen Zeit so viel darauf ausgelegt ist, es anderen recht zu machen, politisch korrekt und freundlich zu sein. Ich halte Freundlichkeit ja oft für verlogen. Aber ich bin auch in einem sehr streitfestenHaushaltaufgewachsen.“
Zurück nach Hause
EinHaushalt, denerunlängst wieder näher kennen lernte. Nach 25 Jahren ist Matthias Franz Stein für kurze Zeit bei seinem Vater, Erwin Steinhauer, eingezogen. Um das Kabarett „Vatermord“zu schreiben, das im November im Rabenhof Premiere feiert.
„AlsichdenVorschlag( mit dem Vater zu spielen, Anm.) zum ersten Mal gehört hab, hab ichmirgedacht:,Na, despock i net.‘ Aber dann hab ich mir gedacht: , Wo gibt es das sonst? Dass Vater und Sohn gemeinsam auf der Bühne stehen.‘ Und es hat ja eine ganz eigene Kraft, weil die private Beziehung immer mitschwingt.“
Aber geht das gut, mit seinem Vater ein Programm zu schreiben? „Es war ... genauso, wie man es sich vorstellt.“Matthias Franz Stein lacht. „Anstrengend, weil du haltdeineneigenenVaterimmerdabeihast. Aberauchlustig. Weil wir uns super verstehen. Und natürlich gab es Auseinandersetzungen. Weil er manchmal noch den Sechsjährigen in mir sieht. WiedasbeiElternnuneinmal so ist.“
Um diese Spannung geht es dann auch im Stück. Dass dieÄlterenglauben, esbesser zu wissen. Und dass die Jungen sich abgrenzen möchten. So wie Matthias Franz Stein das mit seinem Namen auch gemacht hat.