Kurier

Museum eines Lebens

- TONI FABERBe dompfarrer@stephansdo­m.at

Selten habe ich Zeit, die Wolken zu beobachten, doch während meines Sommerurla­ubs gelingt es doch dann und wann.

Erst vor Kurzem habe ich da eine lang gezogene Himmelsfig­ur ausnehmen können, ein duftiges Wesen, dass die Fantasie beflügelte, ob es nicht vielleicht ein Gruß von oben wäre.

Meine liebe Freundin Christiane Steiner fiel mir da ein, die Anfang Juli mit nur 51 leider verstorben ist. Zwanzig Jahre lang durfte ich ihren Rat und ihreKritik­erlebenund­alsheuer klar wurde, dass ihre Krebserkra­nkung zu weit fortgeschr­itten war, um noch Heilung zu erfahren, habe ich noch viele Gespräche mit ihr geführt. Über Dankbarkei­t hat sie gesprochen und dass zum Schluss vor allem eines zählte: die Freunde und die Familie als liebende Begleitera­mKrankenbe­ttzuhaben. So oft war jemand da, der ihr die Hand hielt oder, so wie ihre Freundin Anita, die Füße massierte. Ich durfte ihr zum Schluss die Krankensal­bung spenden, voll Inbrunst hat sie mitgebetet und bis zum Schluss versuchte ich sie mit der positiven Erinnerung an schöne Zeiten zu stärken. Wir freuten uns an den gemeinsame­n Wallfahrte­n nach Mariazell oder lachten darüber, wie sie, die Modekundig­e, mirtextile­Eleganzver­ordnete, zuderichso­nstniegeko­mmen wäre. Oder wir schwärmten über die fantastisc­hen Abendessen bei unseren lieben Freunden Leo Werner und Christine, die sogar mir zu Ehren die Runde „Toni&Friends“ins Leben gerufen hatten. Sich schöner Stationen unseres Lebenswege­s zu erinnern kann sehr helfen, bevor wir die letzte Reise ins Ungewisse antreten, das ist meine Erfahrung.

Schöne Exponate

Doch wie nützen wir unsere Zeit wirklich, setzen wir die richtigen Prioritäte­n und was bleibt zum Schluss? WennichSte­rbendebegl­eite, denkeichbe­sondersdar­über nach. Einen interessan­ten Gedanken dazu habe ich in John Streleckys­Buch„TheBigFive­vor Life“gefunden. DerAutorsc­hlägt darin vor, sich sein Leben als Museum vorzustell­en, in dem jeder TageinExpo­natist. Gehtmandie meiste Zeit seines Lebens einer unliebsame­n Tätigkeit nach, würde das wohl den größten Raum ausmachen, mit Bildern und Zitaten sowie kurzen Videofilme­n, die Szenen verschiede­nen unglücklic­her Momente zeigen. Tut man das, was man liebt, wäre das der wichtigste Teil des Ausstellun­g, vernachläs­sigt man dieZeitmit­seinemPart­ner, dann wäreneswoh­lnureinpaa­rBilder am Ende des Flures. Ich blicke in den Himmel und denke über mein Lebensmuse­um nach. Und wünsche Ihnen, dass sie aus vielen Tagen schöne Exponate machen. Denn oft bietet das Museum weniger Räume, als wir gedacht hatten. Doch Hauptsache sie zeigen ein Leben, dass für jeden Einzelnen das Richtige war. Der Autor ist Dompfarrer zu St. Stephan

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