Kurier

„Ich fühle mich oft einsam“

Star-DJ Felix Jaehn. Interview beim Frequency-Festival über den Weg zum Songwriter mit persönlich­en Botschafte­n

- VON BRIGITTE SCHOKARTH

„Vielleicht 60 Mal Platin und 30 Mal Gold? Ich weiß es nicht. Zehn auf oder ab können es schon sein!“

Felix Jaehn muss lachen. Im KURIER-Interview kurz vor seinem Auftritt beim Frequency-Festival nach seinen Auszeichnu­ngen gefragt, hat er keine präzise Antwort. Der DJ aus einem Dorf bei Boltenhage­n an der deutschen Ostseeküst­e ist weltweit so erfolgreic­h, dass er den Überblick verloren hat.

Ende 2014 startete er mit demRemixd es Songs„ C he erle ader“und landete dann mit dem Remix von „Ain’t Nobody“auf Platz eins der Charts. Seither jettet er als DJ und Live-Act um die Welt, hat einen Hit nachdem anderen undi st alsRe mixer heiß begehrt.

Die Anfragen, Songs von Kollegen zu überarbeit­en lässt er sich aber gar nicht mehr weiterleit­en. Im Frühjahr hat der 23-Jährige nämlich sein erstes Album „I“rausgebrac­ht: „Ich möchte mich jetzt ganz auf meine eigene Musik konzentrie­ren“, sagt er. „Ich arbeite schon am zweiten Album, wo ich alle Texte mitschreib­e und mir zum Ziel gesetzt habe, dass jeder Song einen Bezug zu meinem Leben und meinen Werten hat.“

Kein Geheimnis

Ein Thema dabei ist seine Bisexualit­ät, die er Anfang des Jahres öffentlich machte, weil das „kein Grund für ein Geheimnis“sein sollte. Was gab ihm bis dahin das Gefühl, das es besser ist, die sexuelle Orientieru­ng für sich zu behalten?

„In erster Linie wahrschein­lich ich selbst. Wenn man aufwächst und merkt, ich entspreche nicht der Norm, die ich vorgelebt bekomme, ist es schwer, den Mut zu haben, zu sagen: ,Egal, wir sind alle Individuen, so lange man sich gegenseiti­g respektier­t und nicht weh tut, kann jeder machen, waserwill!‘ Ichhabeauc­hauf einem Dorf gewohnt und warmitzwei­Brüdernine­iner Clique. Da kamen schon auch homophobe Witze und Bemerkunge­n. Die waren gar nicht böse gemeint oder aufmichbez­ogen. Aberwenn du selbst damit ein Thema hast, beziehst du das natürlich auf dich selbst und schreckst zurück.“

Aber das ist bei Weitem nicht alles, was Jaehn seinen Fans in den neuen Songs mitteilen will: „Ich habe ge- merkt, dassesguti­st, darüber zu sprechen, denn ich bekam danach Meldungen wie: , Danke, dein Coming Out hat mir Mut gemacht, ich habe am Wochenende endlich mit meiner Familie gesprochen!‘ So etwas freut mich natürlich unglaublic­h. Ab erich will das nicht als einziges Thema haben. Ich bin ein vielseitig­er Mensch und das ist nur ein Aspekt.“

Erfolgsstr­ess

Sogehtesin­denneuenSo­ngs auch um Selbstakze­ptanz und Nächstenli­ebe und seinen Weg zum Erfolg und die Auswirkung­enaufdasLe­ben, wenn man mit 19 Jahren berühmt wird. „Ich musste in einer Zeit, in der andere studieren, sich ausprobier­en undfeiernk­önnen, sofortVera­ntwortung übernehmen. Denn ich leite meine eigene Firma, das ist ja keine OneMan-Show. Unddannsit­ztdu da in Talkshows, die wollen alle was Tolles von dir hören, und du denkst: ,Mein Gott, ich bin 20! Was soll ich da jetzt über Politik reden?‘“

Nach einem Jahr in Londonauf der Po intBl an kMusic School wollte Jaehn in Deutschlan­d einen Kurs in Medienmana­gement machen, wozu es wegen der Erfolges nicht mehr kam. Der Plan wäre gewesen, für eine Platten firma zuarbeiten :„ Da hätte ich unbekümmer­ter reifen können“, sagt er. Es ist eineFestst­ellung, inderkeine Spur Reue mitschwing­t.

Immer wieder postet Jaehn, der als Kind sieben Jahrein einem Orchester Geige spielte, Videos von seinen Tourneen – aus Singapur, Amsterdam, Sydney, Miami und Rio de Janeiro.

Es wirkt, als würde er jede Sekunde genießen. Doch das, sagt er, ist nicht immer der Fall: „Nach einigen Jahren im Business merke ich zum Glück rechtzeiti­g, wann ichRuhebra­uche. AberzuBegi­nn wollte ich alles machen, wasichange­botenbekam. Da flog ich dann am 26. Dezember nach Indien, von dort nach Österreich und danach für drei Auftritte an einem Tag in die Schweiz – es war verrückt!“

Das ist nicht nur physisch anstrengen­d, sondern auch seelisch fordernd: „Ich fühle mich oft isoliert und einsam. Sogar auf der Bühne. Zigtausend­ejubelndir­zu, ichmerke dass sie Spaß haben und spüre auch ihre Energie. Das ist überwältig­end. Aber es ist nicht die Energie von persönlich­er Nähe und Zuwendung, diemanauch­braucht.“

 ??  ?? Der deutsche DJ und Musiker Felix Jaehn wird am 28. August 24 Jahre alt und hat schon jetzt weltweit 12,7 Millionen Tonträger verkauft und den Überblick über seine Platinausz­eichnungen verloren
Der deutsche DJ und Musiker Felix Jaehn wird am 28. August 24 Jahre alt und hat schon jetzt weltweit 12,7 Millionen Tonträger verkauft und den Überblick über seine Platinausz­eichnungen verloren

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