Ein wichtiger Appell an die Menschlichkeit in Grafenegg
„Nur wer die Vergangenheit kennt, kann die Zukunft positiv gestalten .“Das sagte Star pianist Rudolf Buchbinder vor der Eröffnung des diesjährigen Musikfestivals Grafenegg im Rahmen einer absolut hochkarätig besetzten Ge denk veranstaltung des Landes Niederösterreich.
Und der Intendant des in seine zwölfte Saison (bis 9. September) gehenden Festivals ließ diesen Worten auch Töne folgen. Wer sich zum Auftakt am Wolken turm klassischeKulin arik erwartet hatte, wurde enttäuscht. Wer auf ein sehr beredetes, aufwühlendes Plädoyer gegen jede Form des Krieges und der Barbarei gewartet hatte, kam allerdings vollauf seine Kosten.
Denn mit Benjamin Brittens „War Requiem“gab Buchbinder im Gedenk,-und Bedenkjahr 2018 auch programmatisch ein Statement ab.
Mutige Entscheidung
Keine leichte Kost also, dafür ein umso wichtigerer Appell an die Menschlichkeit. Und um nichts anderes ging es B ritten in seinem 1962 uraufgeführten Werk„ für Sopran, Tenor, Bariton, Chor, Knabenchor, Ensemble und Orchester“, das die lateinische Totenmesse mit Gedichten des 1918 im Krieg gefallenenPoetenWilfredO wen verbindet. Eine Komposition, die Geschichte geschrieben hat, der es um die Geschichte der Menschheit geht. Und die mutige Entscheidung, dieses Meisterwerk anzusetzen – ORF III übertrug live-zeitversetzt – wurde belohnt.
Bot doch das sehr gut einstudierte Tonkünstler-Orchester Niederösterreich unter der Leitung seines Chefdirigenten Yutaka Sado eine sehr nuancierte, keineswegs auf Effekte, sondern auf Zwischentöne ausgerichtete Leistung. Und Dirigentin Yukari Saito sorgte am Pult des zweiten, viel kleiner besetzten Orchesters für jene passenden Klänge, die den Worten Owens den nötigen Nachdruck verliehen. Das Wechsel,-und Zusammenspiel beider Formationen funktionierte tadellos.
Dass Sado einigen Passagen noch mehr Intensität verleihen hätte können, sei geschenkt. Das Gesamtkonzept ging perfekt auf. Auch dank des exzellenten Wiener Singvereins (Einstudierung: JohannesPrinz) undderlinks auf den oberen Rasenplätzen platzierten Wiener Sängerknaben (Leitung: Gerald Wirth), die keine Wünsche offen ließen, die Brittens Mahnmal hervorragend zum Klingen brachten. Und die Solisten? Berührend, wie Christian Elsner mit seinem hell timbrierten Tenor und Lucas Meachem mit seinem kultivierten Bariton die( englischsprachigen) Zeilen Owens interpretierten, wie sie das unermessliche Grauen auf den Schlachtfeldern überaus plastisch darstellten. Anna Samuil assistierte ihnen bei den lateinischen Passagen mit hochdramatischem, mitunter an Vibrato reichem Sopran.
Und das Publikum folgte dieser Darbietung sehr konzentriert, nahm die Herausforderung mehr als dankbar an und jubelte zum Schluss ausgiebig. „Wer nicht dabei war, hatetwasversäumt“, betonte Intendant Buchbinder nach dem Konzert. Er hat Recht. Dieses „War Requiem“ging unter die Haut und( fast wichtiger) ans Herz. KURIER-Wertung: