Kurier

Ein wichtiger Appell an die Menschlich­keit in Grafenegg

- VON PETER JAROLIN

„Nur wer die Vergangenh­eit kennt, kann die Zukunft positiv gestalten .“Das sagte Star pianist Rudolf Buchbinder vor der Eröffnung des diesjährig­en Musikfesti­vals Grafenegg im Rahmen einer absolut hochkaräti­g besetzten Ge denk veranstalt­ung des Landes Niederöste­rreich.

Und der Intendant des in seine zwölfte Saison (bis 9. September) gehenden Festivals ließ diesen Worten auch Töne folgen. Wer sich zum Auftakt am Wolken turm klassische­Kulin arik erwartet hatte, wurde enttäuscht. Wer auf ein sehr beredetes, aufwühlend­es Plädoyer gegen jede Form des Krieges und der Barbarei gewartet hatte, kam allerdings vollauf seine Kosten.

Denn mit Benjamin Brittens „War Requiem“gab Buchbinder im Gedenk,-und Bedenkjahr 2018 auch programmat­isch ein Statement ab.

Mutige Entscheidu­ng

Keine leichte Kost also, dafür ein umso wichtigere­r Appell an die Menschlich­keit. Und um nichts anderes ging es B ritten in seinem 1962 uraufgefüh­rten Werk„ für Sopran, Tenor, Bariton, Chor, Knabenchor, Ensemble und Orchester“, das die lateinisch­e Totenmesse mit Gedichten des 1918 im Krieg gefallenen­PoetenWilf­redO wen verbindet. Eine Kompositio­n, die Geschichte geschriebe­n hat, der es um die Geschichte der Menschheit geht. Und die mutige Entscheidu­ng, dieses Meisterwer­k anzusetzen – ORF III übertrug live-zeitverset­zt – wurde belohnt.

Bot doch das sehr gut einstudier­te Tonkünstle­r-Orchester Niederöste­rreich unter der Leitung seines Chefdirige­nten Yutaka Sado eine sehr nuancierte, keineswegs auf Effekte, sondern auf Zwischentö­ne ausgericht­ete Leistung. Und Dirigentin Yukari Saito sorgte am Pult des zweiten, viel kleiner besetzten Orchesters für jene passenden Klänge, die den Worten Owens den nötigen Nachdruck verliehen. Das Wechsel,-und Zusammensp­iel beider Formatione­n funktionie­rte tadellos.

Dass Sado einigen Passagen noch mehr Intensität verleihen hätte können, sei geschenkt. Das Gesamtkonz­ept ging perfekt auf. Auch dank des exzellente­n Wiener Singverein­s (Einstudier­ung: JohannesPr­inz) undderlink­s auf den oberen Rasenplätz­en platzierte­n Wiener Sängerknab­en (Leitung: Gerald Wirth), die keine Wünsche offen ließen, die Brittens Mahnmal hervorrage­nd zum Klingen brachten. Und die Solisten? Berührend, wie Christian Elsner mit seinem hell timbrierte­n Tenor und Lucas Meachem mit seinem kultiviert­en Bariton die( englischsp­rachigen) Zeilen Owens interpreti­erten, wie sie das unermessli­che Grauen auf den Schlachtfe­ldern überaus plastisch darstellte­n. Anna Samuil assistiert­e ihnen bei den lateinisch­en Passagen mit hochdramat­ischem, mitunter an Vibrato reichem Sopran.

Und das Publikum folgte dieser Darbietung sehr konzentrie­rt, nahm die Herausford­erung mehr als dankbar an und jubelte zum Schluss ausgiebig. „Wer nicht dabei war, hatetwasve­rsäumt“, betonte Intendant Buchbinder nach dem Konzert. Er hat Recht. Dieses „War Requiem“ging unter die Haut und( fast wichtiger) ans Herz. KURIER-Wertung:

 ??  ?? Start in die zwölfte Saison in Grafenegg: Zum Auftakt gab es am Freitagabe­nd Benjamin Brittens „War Requiem“
Start in die zwölfte Saison in Grafenegg: Zum Auftakt gab es am Freitagabe­nd Benjamin Brittens „War Requiem“
 ??  ?? Lisa Batiashvil­i und Daniel Barenboim beim Festspiel-Konzert
Lisa Batiashvil­i und Daniel Barenboim beim Festspiel-Konzert

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