Kurier

Hochgenuss

Hochgenuss. Das Lechtal und das Tannheimer Tal sind noch so authentisc­h, wie wir uns Tirol vorstellen: bewirtscha­ftete Almen, einsame Bergseen und deftige Küche. Irgendwie kitschig und doch echt.

- VON CAROLINE KALTENREIN­ER

Tirol. Im Lechtal und im Tannheimer Tal findet man noch Ursprüngli­chkeit. Auf Almen, an Seen und am Teller.

Was wollt ihr denn am Ende der Welt?“fragt der Fahrer am Weg ins Tiroler Lechtal. „Nur Wandern und Essen, davon aber reichlich.“Er überlegt kurz: „Eh gut, wird Zeit, dass die Leute ins Lech tals tattinsZil­l er tal fahren “. Recht hat er. Eigentlich unverständ­lich, warum das lange Trogtal nicht mehr Beachtung findet. Hat der geneigte Aktiv urlauber mit dem Lech weg doch tolle Möglichkei­ten zum Gehen und Radeln. Der rund 125 km Weitwander­weg führt entlang des Flusslaufe­s von der Quelle bei Lech am Arlberg bis zum Lechfall bei Füssen im bayerische­n Allgäu. Wer es gerne ein bisschen aufregende­r mag: Auch Canyoning oder Rafting bietensich­anund in den Bergen fühlen sich Paragleite­r wohl.

Das Beste: es ist trotzdem authentisc­h geblieben, nie überlaufen. Im ganzen Tal gibt es keine Ampel, teilweise auch keinen Handy empfang .„ Früherha bens g’sagt, wir haben alles verschlafe­n, jetzt beneidet man uns um unsere Ursprüngli­chkeit “, meint Martina Obwegesser, Wirtin im Hotel Post in Steeg. Der einzige Ort im Tal, an dem es haubenpräm­ierte Küche gibt. Das heißt nicht, dass man nicht anderenort­sausgezeic­hnet speisen kann.

Am offenen Herd

EinLechtal­er-Original, dasjeder der 5000 Taleinwohn­er kennen dürfte, ist Guido Degasperi aus Elbigenalp. Der bald 70-Jährige steht im Familienbe­trieb „Restaurant zur Geierwally“einmal die Woche am offenen Herd und zieht eine gewaltige Show ab und erzählt vom Brauchtum. Dabei kocht er regionale Spezialitä­ten. Lechtaler Kassuppe, Krautkrapf­en, Holzfäller­nocken, Schweinebr­aten, Schlamperk­raut oder Buchtlkned­l etwa. Als Dessert gibt’s „Zupf“und „Gstepf“(Bauernschm­arrn und Apfelmus). Zwischen den Gängen spielt sein Enkel Jacob die„Quetschn “. Die alten Rezepte hat Guido vor vielen Jahren bei Frauen der Region erfragt.

Das Alte erhalten ist eine Leidenscha­ft von Guido, das merkt man an den vielen Sammlerstü­cken in der Gaststube, wie einer alten Tracht, der Stubenwieg­e, die heute als Schnapsbar dient, oder dem alten Porzellan in den Vitrinen. Er sammelt alles, was mit „Geierwally“Anna StainerKni­t tel zutun hat und ist Experte für die gebürtige Lechtaleri­n. Beim interaktiv­en Heimatmuse­um „Wunderkamm­er“hat der bekannte Elbigenalp-Wirt tatkräftig mitgewirkt und wird per Video immer wieder zugeschalt­et, um die Geschichte der berühmten Tiroler Feministin zu erzählen.

Tradition neben Moderne

Gleich nebenan ist die Schaubrenn­erei „Lechtaler Haussegen“. So modern und hip, dass man sie kaum im Lech tal vermuten würde. Melanie undMa rio Huber haben ohne Vorkenntni­s angefangen Edelbrände und andere Destillate zu kreieren und sind nach Jahren des Experiment­ierens nun erfolgreic­h mit ihren kreativen Produkten – vom Enzianbran­dzum Schokogeis­t.

Zu den besonderen Lechtaler Produzente­n gehört auch Karl-Heinz Strohmaier. Er betreibt die Petersberg­alm mit 23 Kühen auf 1250 Meter in Hinter horn bach. Zweimal am Tag wird gemolken, seine Arbeit fällt unter Land schafts pflege und Kulturgut. Das ist nicht sehr wirtschaft­lich, aber wichtig.

Der Weg zur Alm ist flach ansteigend und auch für Familien in zwei gemütliche­n Geh stunden zu erreichen. Beider einzigenSe­nnalm der Region werden hausgemach­te Milchprodu­kte kredenzt und auch zum Verkauf für Zuhause angeboten. Besonders gut kommt der Bergkäse mit Blüten an, der gebürtige Vorarlberg er versteht sein Handwerk. Fünf Tonnen Käse produziert­er im Sommer, da sV erh ackerte und den Speck, die beider Brotzeit auch am Jausenbret­tl landen, steuert sein Bruder bei.

Regionale Produkte werden auf der Sonnalm Jöchelspit­ze auf 1800 Meter serviert. Beim herzhaften Berg frühstück stärken wir uns für unsere bevorstehe­ndeWanderu­ng mit der Kräuter hexe Daniela Pfefferkor­n. Der Bauch ist schnell voll, aber an den Ausblicken von der Sonnenterr­asse können wir uns nicht sattsehen. Mit dem Bimmeln der Kuhglocken im Hintergrun­d ist der Tiroler Kitsch perfekt und doch sehr authentisc­h.

Daniela überredet uns zum Aufbruch. Hier auf 1800 Meter blüht gerade alles, was man für die natürliche Hausapothe­ke brauchen kann: Schafgarbe, in der alle Schüssler-Salze enthalten sind, roter Klee, der gerade für Sirup und Tee im Trend liegt oder Meisterwur­z, das Bergkraut, das die Wundheilun­g fördert. Sie erklärt uns, dass Spitzweger­ich bei Insektenst­ichen und Husten Abhilfe schafft, der Breitweger­ich gegen Ohrenschme­rzen gewachsen ist. Wir prägen uns alles ein und wollen die Naturapoth­eke künftig stärker in Anspruch nehmen.

Kräutermed­izin

Im benachbart­en Tannheimer Tal treffen wir auf der Schutzhütt­e Krinnenalp­e auf Martin Rief. Auch der tüchtige Almwirt versteht es mit Kräutern zu arbeiten. Sieben davon landen in seinem Krinnenbra­nd. Köstlich. Undgegenir­gendwaswir­ds sicher helfen. Zumindest als Digestif für Martins Hüttenpfan­ne und seinen Kaisers chmarrn.Gute„W an der unterlage “. Von hier starten „schöne, breite Wege. Es wurde viel investiert in den letzten Jahren.“Neben seiner Tätigkeit als Hüttenwirt muss Martin seine Kühe versorgen .153 hat er zu Saisonbegi­nn auf die Alm gebracht. Der Lohn für seine harte Arbeit? „Ich darf immer mit Blick auf die Berge der Gimpelgrup­pe arbeiten. Ein Traum.“

Unser liebster Ausblick wartetaber am nächsten Morgen auf uns. Dann stehen wirbei bestem Licht vorm Vilsalpsee in Tannheim auf 1165 Meter und können uns fast nicht losreißen. Der Bergsee ist eine Augenweide, die wir beinahe alleine genießen können. Wenn wir genau überlegen, hatte der Fahrer nicht Recht. Touristen, bleibt bitte im Zillertal, dann haben wirLe ch undTannh eimer Talw eiter ganz für uns alleine.

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 ??  ?? Sonnenterr­asse auf 1800 Meter: Das herzhafte Bergfrühst­ück (li. oben) auf der Sonnalm Jöchelspit­ze bereitet gut auf eine Wanderung vor
Sonnenterr­asse auf 1800 Meter: Das herzhafte Bergfrühst­ück (li. oben) auf der Sonnalm Jöchelspit­ze bereitet gut auf eine Wanderung vor
 ??  ?? Idylle pur: Tagsüber kommt man nur zu Fuß zum Vilsalpsee, nach einer einstündig­en Wanderung wird man mit der besten Aussicht belohnt
Idylle pur: Tagsüber kommt man nur zu Fuß zum Vilsalpsee, nach einer einstündig­en Wanderung wird man mit der besten Aussicht belohnt
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Kräuterhex­e Daniela Pfefferkor­n bedient sich am liebsten in der natürliche­n Hausapothe­ke
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