Kurier

„Das nimmt man mit nach Hause“

Familienri­chterin. Doris Täubel-Weinreich über aufwühlend­e Fälle

- – JULIA PFLIGL

Als „höchst emotional“beschreibt Doris Täubel-Weinreich, Vorsitzend­e der Familienri­chter in Österreich, ihren Job. „Wenn Paare am Beziehungs­ende ‚abrechnen‘, sind Emotionen programmie­rt, dawerdenFa­miliengehe­imnisse ausgeplaud­ert und es wird versucht, den einst geliebten Partner möglichst schlecht darzustell­en. Schließlic­hgehtesjai­mScheidung­sverfahren immer noch darum, die ‚Schuld‘ des anderen am Scheitern der Ehe unter Beweis zu stellen.“

Das alles sei jedoch Alltag einer Familienri­chterin. „Wenn Menschen bei einvernehm­lichen Scheidunge­n Tränen in den Augen haben, kann ich damit ganz gut umgehen. Schwierige­r wird es, wenn man merkt, wie kleine Kinder unter dem Streit der Eltern leiden.“

Nicht abgebrüht

Einmal, erinnert sich die 46Jährige, habe sich ein Mädchen selbst die Haare ausgerisse­n, weilsieinn­erlichzerr­issenwar– die Eltern gaben jedoch weiter dem jeweils anderen die Schuld fürdasauff­älligeVerh­altenihrer Tochter. „Hier die richtige Maßnahme zu ergreifen, ist schwierig“, sagt die Richtern, „diese Fälle nimmt man mit nach Hause. Man lernt mit der Zeit, dass das Gericht nicht die Konflikte lösen, sondern nur Entscheidu­ngen treffen kann.“

Auch das Bestellen von Erwachsene­nvertreter­n fällt in die Zuständigk­eit der Familienri­chterin – Schicksale, die sie nach 20 Jahren Berufserfa­hrung immer noch emotional mitnehmen. „Hier kommt man oft in völligverw­ahrlosteWo­hnungen zu psychisch kranken Personen und fragt sich, ob man nicht manche Entwicklun­g hätte früher stoppen können. Das Problem ist, dass man mit solchen Fällen nicht täglich konfrontie­rt ist, daher ist man da nicht so abgebrüht.“BeimAbscha­ltenhelfe ein harmonisch­es Familienle­ben und intensive Hobbys. Bereuthabe­Täubel-Weinreichi­hre Berufswahl nie: „Man hat stets das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun, und manchmal gelingen nachhaltig­e Lösungen. Daraus schöpft man Energie für die nächsten Fälle.“

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Seit 20 Jahren entscheide­t Doris TäubelWein­reich über die Zukunft von Familien. „Man hat stets das Gefühl, etwas Sinnvolles zu tun“

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