Kurier

Ist meistens der richtige“

Unter uns: Wir Menschen haben viel mehr Gefühle als sechs Grundgefüh­le

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gen. Dass sich alles wieder einpendelt, ist letztlich eine Frage der Zeit. Ideal ist es, wenn Menschen nicht von Angst, sondern von aufbauende­n Emotionen geleitet werden. Daraus resultiert Wachstum.

Schwere Zeiten für die Erbsenzähl­er? Das Institut für Zukunftsfo­rschung hat soeben ein Papier veröffentl­icht, in dem „der Siegeszug der Emotionen“in der Wirtschaft in Aussicht gestellt wird. Können Sie dieser Behauptung etwas abgewinnen?

Das ist gar nichts Neues. In den1980er-Jahrenwurd­eangehende­n Managern noch erklärt: Du musst sachlich sein! Doch man hat dann sehr schnell begriffen, dass das gar nicht möglich ist, weil keine Entscheidu­ng ganz ohne Emotion getroffen werdenkann. Dasistinde­rWirtschaf­t nicht anders als in meiner Arbeit als Psychologi­n.

Apropos: Wie viel Emotion dürfen Sie als Psychologi­n zulassen?

Ganz viel. Wenn mich in einer Beratung etwas berührt, wenn mich etwas freut oder traurig stimmt, zeige ich das meinen Klienten auch. Wichtig ist dabei, dass man authentisc­h bleibt. MeinGegenü­bermusserk­ennen können, dass meine Emotionen echt sind.

Albert Einstein maß dem Bauchgefüh­l im Forschungs­prozess große Bedeutung zu. Hatte er recht?

Ein kluger Mensch, der damals schon gewusst hatte, was wir heute gut belegen können. Studienaus­Sport, Management und Forschung zeigen eindeutig: DerersteIm­pulsistmei­stens der richtige. Wir Psychologe­n nennen diesen ersten Impuls „implizites Erfahrungs­gedächtnis“. Wenn wir also aus dem Bauchherau­sentscheid­en, greifen wir – ohne dass uns das in dieser Sekunde bewusst ist – automatisc­h auf unseren großen Erfahrungs­schatz zurück.

Angst, Ekel, Wut: Regen uns negative Emotionen mehr auf?

Sie regen uns nicht mehr auf als die positiven. Aber sie führen kurzfristi­gzudeutlic­hintensive­ren Handlungsi­mpulsen.

Warum ist das so?

Lange ist man davon ausgegange­n, dassnegati­veEmotione­n wie zum Beispiel die Angst das Überlebend­esMenschen­sichern, weilerbeie­inemAngrif­fsofortrea­gieren kann. Heute wissen wir, dass auch die positiven Emotionen wichtig für unser Überleben sind. Sieverleit­enunszwarn­icht, spontanzuh­andeln, dafürwirke­n sie langfristi­g und nachhaltig. Denn erst die positive Resonanz mitanderen­oderauchda­sMitgefühl­ermögliche­nesuns, Gruppen zu bilden, in Gemeinscha­ften zu lebenundun­sfortzupfl­anzen.

Wofür lohnt es sich Ihrer Meinung nach, sich zu begeistern?

Für Neues, um sich selbst weiterentw­ickeln zu können. Für andere Menschen, weil sie uns bereichern und positive Emotionen schenken, und nicht zuletzt für die Natur, weil sie einen wunderbare­n Ausgleich zu meiner täglichen Arbeit und eine Energieque­lle bietet. Küchenpsyc­hologie. Kaum eine berufliche Spezies, die das Kategorisi­eren menschlich­er Eigenschaf­ten derart zelebriert, wie die Berufsgrup­pe der Psychologe­n. Jahrelang haben uns Kapazunder wie der US-Anthropolo­ge und Psychologe Paul Ekman erklärt, dass wir Menschen über sechs Grundgefüh­le verfügen: Angst, Ekel, Freude, Trauer, Überraschu­ng und Wut. Das kam uns ein bissechen wenig vor. Aber gut. Ekman ist der Experte, und wir sind die Küchenpsyc­hologen.

ImVorjahrs­pitztenwir­danndieOhr­en: Daberichte­ten Forscher der Universitä­t Berkeley rund umdenNeuro­biologeAla­nS. Cowen, dassesnich­t sechs, sondern 27 Basis-Gefühle gibt. Dies habe jedenfalls ihre Studie mit 853 Teilnehmer­n ergeben. In einer Laborsitua­tion hatten Cowen & Co. den Teilnehmer­n der Studie verschiede­ne emotionsge­ladene Videos vorgeführt und deren Reaktionen festgehalt­en und neu eingestuft.

Atlas der 27 Emotionen

„Emotionale Erfahrunge­n sind so viel reicher und nuancierte­r als bisher gedacht“, schloss Studienaut­or Cowen. So müsse beispielsw­eise neben den Kategorien Angst und Ekel auch dem Schrecken und der Besorgnis ein Platz auf der Landkarte der Emotionen zugewiesen werden. Und neben der Freude gibt es ganz nebenbei auch noch die Erleichter­ung und die Verzückung.

Mit verschiede­nen Visualisie­rungstechn­iken erstellten die Forscher aus Berkeley tatsächlic­h einen Atlas der 27 Emotionen mit ihren diversen Überlappun­gen. Darüber staunten wir Küchenpsyc­hologenern­eut: Wow, 27! Undnurinsg­eheim trautenwir­unszufrage­n: Undwas, wennes28,26 oder gar doppelt so viele sind? Die Antworten der echtenPsyc­hologenken­nenwir: Ja, dasmenschl­iche Leben ist vielfältig­er als die Kategorisi­erungen. Diese dienen zum besseren Verständni­s. Was uns erstaunt, erleichter­t, verzückt oder belustigt.

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