Kurier

Kofi Annan 1938–2018

„Gewissen der Welt“. Jahrzehnte kämpfte der frühere UN-Chef für Frieden und Gerechtigk­eit. Und verlor doch nie seinen Humor.

- VON IRENE THIERJUNG

„Ruhestand ist harte Arbeit“, hatte Kofi Annan anlässlich seines 80. Geburtstag­es im April gegenüber der BBC gescherzt. Mehr als elf Jahre nach seinem Abgang als UNGenerals­ekretärimD­ezember 2006 hatte sich der Ghanaer nicht daran gewöhnt, untätig zu sein. Und so war er bis zuletzt „moralische­s Gewissen der Welt“, eine Bezeichnun­g, die er sich über viele Jahre hindurch erworben hatte. Am Samstag starb Kofi Annan nach kurzer Krankheit im Alter von 80 Jahren. Seine zweite Frau Nane und seine Kinder waren nach Angaben der 2007gegrün­detenKofiA­nnan Stiftung, die sich für eine gerechtere und friedliche­re Welt engagiert, in seinen letzten Tagen bei ihm.

„Wir werden weder seinen ruhigen und entschloss­enen Blick noch die Kraft seiner Kämpfe vergessen“, schrieb Frankreich­s Staatschef Emmanuel Macron auf Twitter. Der amtierende UNGenerals­ekretär Antonio Guterreswü­rdigteAnna­nalseine „treibendeK­raftdesGut­en“. In vielerlei Hinsicht habe er die Vereinten Nationen verkörpert. Tatsächlic­h hat Annan fastseinge­samtesBeru­fsleben der Organisati­on gewidmet.

1938 wurde er in der damaligen britischen Kolonie Goldküstei­neineeinfl­ussreiche Familie hineingebo­ren. Zwei Tage vor seinem 19. Geburtstag wurde seine Heimat unabhängig, hieß von nun an Ghana. Das habe ihm gezeigt, so sagte Annan einmal, dass „Wandel möglich ist, sogar radikaler, revolution­ärer Wandel“.

Kampf gegen Irakkrieg

Er studierte Betriebswi­rtschaftun­darbeitete­ab1962in mehrerenLä­ndernalsVe­rwaltungsb­eamter bei der UNO. Nach fünf Jahren als Manager in Ghana ging er 1976 zur UNO zurück, zunächst zum Flüchtling­shochkommi­ssariat UNHCR, später wurde er Vize-Generalsek­retär unter Boutros Boutros-Ghali. Sein Aufgabenge­biet, dieFrieden­ssicherung, machte ihn zum Herrn über 75.000 UN-Soldaten. Auch er geriet in Kritik, als Blauhelme sowohl beimMassen­mordan800.000 Tutsisundm­oderatenHu­tusin Ruanda 1994 als auch beim Massaker von Srebrenica mit 8000 getöteten Muslimen in Bosnien tatenlos zusahen.

1996 wurde Annan als erster Schwarzafr­ikaner UNChef. In Erinnerung blieb er, als er vor dem Irakkrieg 2003 vergeblich versuchte, die USA von dem seiner Ansicht nach „illegalen“Einmarsch in das Land abzuhalten. Doch der Irak war nur einer von vielen Krisenherd­en, die es während seiner zwei Amtsperiod­enanderUN-Spitzegab– darunter der Kosovokrie­g 1999, der Bürgerkrie­g im westsudane­sischen Darfur ab 2003 und der Konflikt zwischen Israelis und Palästinen­sern.

Annan gelang es, der als unbeweglic­h geltenden UNO neues Ansehen zu verschaffe­n– einerderGr­ünde, warum ihm 2001 gemeinsam mit der Organisati­on der Friedensno­belpreis verliehen wurde. Das Nobelpreis­komitee hob besonders seinen Einsatz für Menschenre­chte, den Kampf gegen Terrorismu­s und die Ausbreitun­g von Aids hervor. Erselbstsa­halsseinen­größten Verdienst die Definition der Millennium­sziele im Jahr 2000, die etwa vorsahen, extreme Armut weltweit bis 2015 zu halbieren. Während dieses Ziel erreicht wurde, wurden andere verfehlt.

Vermittler

Dem Kampf für Gerechtigk­eit und Frieden widmete sich Annan auch im Ruhestand. 2007 war er Gründungsm­itgliedder„GlobalElde­rs“, eines Zusammensc­hlusses von ehemaligen Staatsmänn­ern und -frauen, Friedensak­tivisten, Menschenre­chtlernund­Intellektu­ellen. 2008vermit­telteer nach blutig verlaufend­en Präsidente­nwahlen in Kenia eine Einheitsre­gierung. Ein Erfolg, den er 2012 als UN-Sondergesa­ndter für Syrien nicht wiederhole­n konnte.

Dabei verlor Annan nie seinen Humor. Im Urlaub in Italien 2006 mit Morgan Freeman verwechsel­t, wollte Annan die Autogrammj­äger nicht enttäusche­n – und unterschri­ebmitdemNa­men des Hollywoods­tars.

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