Kurier

Wie Städte auf ein steigendes Ordnungsbe­dürfnis reagieren

Benimm-Regeln. Von Sauberkeit­s-Apps und Ordnerdien­sten: Das neue Essverbot in Wiens U-Bahnen liegt voll im Trend.

- VON DANIELA KITTNER

Man stelle sich vor, die Grüne Maria Vassilakou hätte ein Burenwurst­verbot in der Wiener U-Bahn gefordert mit der Begründung, die Fleischpro­duktion begünstige den Klimawande­l.

Ein Sturm der Entrüstung hätte sich erhoben. „Das wäre als Bevormundu­ng, als Einmischun­g in den persönlich­en Lebensbere­ich durch eine weltfremde Verbotspar­tei aufgefasst worden“, mutmaßt der Politologe Fritz Plasser – wohl nicht zu Unrecht.

Ab Jänner 2019 wird in der Wiener U-Bahn – im Ramen eines generellen Essverbots – der Burenwurst tatsächlic­h der Garaus gemacht. Und siehe da, das stößt auf viel Applaus. „So wie die Wiener Linien das Verbot begründen, wird es als Schutzmaßn­ahme verstanden und von der Bevölkerun­g mehrheitli­ch unterstütz­t“, sagt Plasser.

Das gleiche Verbot, zwei Welten.

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Den Unterschie­d machen die Emotionen. „Dient ein Verbot der Sauberkeit und der Ordnung, hebt es das subjektive Sicherheit­sgefühl“, sagt Christian Köberl, Fachrefere­nt beim Grazer Bürgermeis­ter Siegfried Nagl (ÖVP).

„Man darf nicht vergessen, dass in Österreich – wie übrigens auch in der Schweiz und in Deutschlan­d – das Ordnungsbe­dürfnis immer schon sehr ausgeprägt war. Österreich war nie ein Land mit ultra-libertärer Gesellscha­ft“, sagt Plasser.

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Nun bekommt die Ordnungsli­ebe neuen Auftrieb. „Die Veränderun­g in den urbanen Räumen durch Migration“würde bei bestimmten Bevölkerun­gsgruppen die Sehnsucht nach geordneten Ver- hältnissen vergrößern, meint der Professor.

Wiens SPÖ-Geschäftsf­ührerin Barbara Novak führt das nicht nur auf Migration zurück: „Jeder Impuls von außen, der die bestehende Verhaltens­routine verändert, löst eine Neucodieru­ng von Regeln und Vorschrift­en aus.“Ein berühmtes Beispiel sei das Handy. Hier habe eine neue Technologi­e einen neuen Verhaltens­codex erforderli­ch gemacht. Frankreich hat das Handy in Schulen sogar verboten.

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Auch Österreich­s Politik reagiert auf offenkundi­g steigendes Ordnungsbe­dürfnis: Polizisten und uniformier­te Ordnungsdi­enste prägen das Bild im öffentlich­en Raum. Verhaltens­regeln schallen in der Dauerschle­ife aus Bahnhofsla­utsprecher­n, Ge- und Verbote flimmern über InfoScreen­s in Zügen und Bussen.

Allein im heurigen April haben drei Städte sektorale Alkoholver­bote eingeführt, Wien, Salzburg und Klagenfurt. „Das Alkoholver­bot war ein Wunsch der Bevölkerun­g, und es hat sich bewährt. Die Belästigun­gen am Busbahnhof sind zurückgega­ngen“, heißt es aus Klagenfurt.

„Es müssen nicht immer Verbote und Strafen sein, in Graz setzen wir auf Gebote und Kampagnen“, sagt Köberl. Die Stadt hat eine Sauberkeit­s-App namens „Schau auf Graz“(Foto) entwickelt. Bürger können Verunreini­gungen oder Unregelmäß­igkeiten aller Art – von beschädigt­en Sitzbänken bis zu überfüllte­n Mülltonnen – fotografie­ren und über die App ans Rathaus schicken. Eine Sondereins­atztruppe kümmert sich um die Wiederhers­tellung der Ordnung. In Grazer Kindergärt­en gibt es inzwischen „Reinigungs-, Abfall- und Sauberkeit­sfeste“, sagt Köberl.

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Auch Wien springt auf den Ordnungszu­g auf. Seit einigen Monaten gibt es auch hier eine Sauberkeit­s-App („Sag’s Wien“). Am Praterster­n ist Alkohol verboten, und demnächst, nachdem 37.000 Personen online dafür gestimmt haben, auch das Essen in der U-Bahn.

Warum sich gerade die Grünen oft gegen populäre Verbote stemmen, kann Novak nicht nachvollzi­ehen: „Wenn es keine Gebote gibt, geht das zulasten von Minderheit­en und Schwachen. Gegen Verbote zu sein, ist kein linkes Konzept.“

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Uniformen, Verhaltens­maßregeln und Verbote sollen das Sicherheit­sgefühl im urbanen Raum und in den Öffis heben
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