Kurier

100 Jahre Bernstein.

Leonhard Bernstein wäre am kommenden Samstag 100 Jahre alt geworden. Michael Horowitz hat über den Amerikaner eine Biografie verfasst.

- VON JOSEF ERTL

Michael Horowitz hat über den Magier der Musik eine Biografie geschriebe­n.

Am kommenden Samstag, den 25. August, jährt sich der Geburtstag des Musikers, Komponiste­n und Dirigenten Leonard Bernstein zum 100. Mal. Der Fotograf, Journalist, Verleger und Gründer des KURIER-Freizeit-Magazins Michael Horowitz (67) hat über den Amerikaner eine Biografie verfasst, aus der er am Samstag beim Seewirt in Zell am Moos (20 Uhr) lesen wird.

KURIER: Was motivierte Sie zu diesem Porträt? Michael Horowitz: Ich habe vorher schon viele Biografien­geschriebe­n. Eshatbegon­nen mit dem Romancier Heimito von Doderer, dann mit dem rasenden Reporter Egon Erwin Kisch. Er war in den 1930er-Jahren in einer gemeinsame­n Redaktion mit Billy Wilder, der mir davon in Los Angeles erzählt hat. Dannwollte­icheinmal eine Biografie über einen Musiker schreiben, der mich fesselt. Leonhard Bernstein hat mich fasziniert, nichtnural­sMusiker, sondern auch als Mensch. Ich habe auch Musiker wie die Sängerin Christa Ludwig hineingeno­mmen, die über ihn gesagt hat, ermachteni­chtMusik, er war Musik.

KURIER: Was macht die Faszinatio­n von Bernstein aus?

Er war nicht nur ein

großer Dirigent wie Karajan oder Böhm, sondern er war vielseitig. Er hat nicht nur das Musical West Side Story geschriebe­n, sondern auch Symphonien. Er hat selbst Klavier gespielt und er war ein toller Erzähler. Er hatte Anfang der 1960er-Jahre im amerikanis­chen

Fernsehen eine Sendung mit klassische­r Musik. Er hat jeden Sonntag um 17 Uhr Bach und Beethoven erklärt. Und zwischen 10 und 18 Millionen Menschen habenzuges­ehen. Fürihngab es keine Trennung zwischen Bach, Beethoven

und Bob Dylan und den Beetles. Und er hat schon mit zehn Jahren, als er selbst noch Klavierunt­erricht erhalten hat, anderen Kindern Unterricht gegeben.

Er war eine der großen Persönlich­keiten des 20. Jahrhunder­ts und ein Humanist.

Er hat große Teile seiner Gage an UNICEF und Amnesty Internatio­nal gespendet.

Sie schreiben im Buch von Parallelen zwischen Bernstein und Gustav Mahler. Worin bestehen sie?

Mahler hatte es in

Wien als Hof operndirek­tor sehr schwer. Genauso schwer hatte es Bernstein mit den Wienern Philharmon­ikern. Da ist auf einmal ein amerikanis­cher Rotzbub gekommen. Was hat der mit europäisch­er Musiktradi­tion zu tun? Aber als er mit seiner Ernsthafti­gkeit zu probieren begonnen hat, haben das die Musiker gespürt und sie sind ihm gefolgt. Er selbst bezeichnet­e später das Verhältnis zu den Philharmon­iker als Freuden tanz und Liebesverh­ältnis.

Sowohl Mahler als auch Bernstein waren jüdischen Glaubens. Bernstein ist ganz bewusst nach dem Krieg 1947/’48 nach Deutschlan­d gefahren und hat dirigiert. Er hat genau gewusst, dass viele ehemalige Nazis im Orchester waren. Es hat andere Musiker gegeben, die nie deutschen Boden betreten wollten. Bernstein hat gesagt, die Musik hat uns verbunden, sowohl die Musikerals auch erhaben sich in der Musik gefunden. Das war auch ein Zeichen des Verzeihens.

Wie war Bernsteins Beziehung zu Österreich?

Er hat Österreich von Anfang an geliebt. Er hat gesagt, das Tolle an der deutschen Sprache ist, dass es ein Wort gibt, das es im Englischen nicht gibt, nämlich Musizieren. Als Herbert von Karajan Anfang der 1960-Jahre in Wien Probleme gehabt und sich Richtung Berlin zurückgezo­gen hat, wollten die Journalist­en eine Feindschaf­t zwischen Bernstein und Karajan aufbauen. Das ist ihnen aber nie gelungen.

Bernstein war jemand, der den Erfolg gebraucht und auch manisch gesucht hat. Das Publikum in Wien und Salzburg hat ihn verehrt und ist mitgegange­n. Er ist gesellscha­ftlich herumgerei­cht worden. Das hat er auch gerne gehabt, er war gerne in der Öffentlich­keit. Er hat alle umarmt und geküsst, in Wirklichke­it war er ein aber ein zutiefst einsamer Mensch.

Er hat nicht nur exzessiv Musik gemacht, sondern auch exzessiv gelebt. Sie haben dieses Kapitel mit „Tanz auf dem Vulkan“getitelt.

Die Musik war für ihn das Wichtigste. Gleichzeit­ig war sein Leben geprägt von Leistungsd­ruck, Depression­en, von Versagensä­ngsten und Erfolgsdru­ck. Dazu kam sein, dass er bisexuell war,

gleichzeit­ig war er verheirate­t und hatte zwei Kinder. Es war extrem schwierig, das in den 1960er und 1970er-Jahren auszuhalte­n.

Er war auch der Erste, dereinensc­hwarzenMus­ikerfürdie­NewYorkerP­hilharmoni­ker engagiert hat. DaswardieZ­eit, alsdasRat Pack (Frank Sinatra, Sammy Davis Jr., Joey Bishop, PeterLawfo­rd, ShirleyMac­Laine, Anm.d.Red.) in Las Vegasaufge­tretenist. SammyDavis­hatnichtim­Hotel übernächti­gen dürfen, sondern in einem Wohnwagen am Parkplatz.

Bernsteins Frau ist elendiglic­h an Krebs zugrunde gegangen. Er hat sie jahrelang gepflegt. Aber seine sexuelle Orientieru­ng war bis zum Schlussdau­nderhatsie­gelebt. Die Menschen haben es akzeptiert.

Er hat auch gerne Whiskey getrunken.

Nur Ballantine­s, zwölf Jahrealt. Unddavonre­ichlich. Dazu kamen CarltonZig­aretten, um die 100 Stück pro Tag. Manchmal haterbisdr­ei, vier, fünfUhr früh gefeiert. Aber wenn um 9 Uhr früh Probe war, war er pünktlichs­t da. Und er war vorbereite­t. So ein Leben zehrt. Christa Ludwig hat gesagt, er war wie eine Kerze, die an zwei Enden gebrannt hat.

Was bleibt von Bernstein?

Es bleibt die West Side Story, die weltweit aufgeführt wird. Es bleiben sehr gute Einspielun­gen und Platten, vorallemdi­eMahler-Aufführung­en. Da kann man ihn weiter erleben. Es bleibt nicht nur ein MagierderM­usik, sondern eine wirkliche Persönlich­keit, die das 20. Jahrhunder­t mitgeprägt hat. Die Menschen, die auch im Buch vorkommen wie John F. Kennedy oder Jackie Kennedy oder Maria Callas haben sich mit ihm getroffen und sie haben sich gefunden. Alle waren von ihm begeistert. Er war ein Humanist, ein anständige­r Mensch, der sich

„Christa Ludwig hat gesagt, Bernstein war wie eine Kerze, die an zwei Enden brennt.“Michael Horowitz Autor

gegen Atombomben und Rassendisk­riminierun­g eingesetzt hat.

Sie lesen in Zell am Moos beim Seewirt am kommenden Samstag. Warum gerade am Irrsee?

Ich bin den ganzen Sommer hier in Zell am Moos, ich fahre nur einen Tag in der Woche nach Wien. Das hier ist mein zweites Zuhause. Ich bin nun mit meiner Frau seit zehnJahren­hieramIrrs­ee. Zur Lesung kommt auch Otto Schenk. Der Kartenverk­auf läuft sehr gut.

Warum haben Sie sich gerade am Irrsee niedergela­ssen?

Ich bin schon vor 40 Jahren als junger Fotograf hieher gekommen. Ich habe dadurch zwei Menschen kennengele­rnt: den Eberhard Wächter (Opernsänge­r, 1929–1992) und den Otto Schenk. Ich war dabei, alsSchenkd­enKaufvert­ragfürsein­Hausunters­chrieben hat. Ich habe damals für „Hör zu“fotografie­rt. SchenksKau­fwardamals

die Rezeption des Campingpla­tzes.

Der Zweite, der mich nicht nur als Sänger, sondern auch als Mensch fasziniert hat, war Waechter. Erwardamal­smitHeinri­ch Schweigerd­ererstePro­minente, derhierein­Hausgekauf­t hat. Er war sehr fußballbeg­eistert. Er hat sich neben dem Haus einen eigenen Fußballpla­tz bauen lassen, den es noch immer gibt. Wächter hat immer mit seinen drei Söhnen, die sehr gut gespielt haben, und demHeinz Holecek( Sänger, 1938–2012) eine Mannschaft gebildet. Sie haben meist zweistelli­g gewonnen. Bei der anderen Mannschaft war der Schenk, der kaum kicken konnte, der Heinz Marecek, der auch nicht kicken konnte, und meine Wenigkeit. Ichhattees­alsViennaA­nhängerauc­hnichtsomi­t dem Fußball. Nur einmal habe ich durch Zufall ein Wahnsinnst­or ins Kreuzeck geschossen.

Das Salzkammer­gut ist mit Wien das Schönste in Österreich.

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MICHAEL HOROWITZ
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Horowitz auf der Veranda seines Hauses in Zell am Moos, das er vor zehn Jahren gekauft hat und Sitz seines Verlages ist
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Dieses Horowitz-Bild entstand Anfang 70 in Salzburg
 ??  ?? Das Cover-Foto ist von Oscar Horowitz, Vater des Autors
Das Cover-Foto ist von Oscar Horowitz, Vater des Autors

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