Tauziehen um Vassilakou-Erbe beginnt
Wiener Grüne: Kraus kandidiert für Spitzenplatz bei Wien-Wahl, Kovacs verlässt die Partei
Nach monatelangen Spekulationen haben am Sonntag gleich zwei Grün-Funktionäre die Karten auf den Tisch gelegt: Gemeinderat Peter Kraus zum einen, der – als erster aller potenziellen Anwärter – bekannt gab, sich als grüner Spitzenkandidat für die nächste Wien-Wahl (planmäßig 2020, Anm.) zu bewerben. Und Landessprecher Joachim Kovacs zum anderen, der nicht für diese Position antreten wird, sondern sich aus der Partei zurückzieht. Ohne Gegenkandidaten wird Kraus wohl trotzdem nicht bleiben.
Wer den ersten Listenplatz der Landesgruppe ergattern will, kann sich ab heute, Montag, dafür bewerben – und sich damit einem neuen Auswahlverfahren stellen, in dem die grüne Nummer eins per Briefwahl gekürt wird (siehe Kasten). Kraus informierte am Sonntag Parteifreunde über seine Kandidatur. „Ich habe diese Entscheidung getroffen, weil ich der festen Überzeugung bin, dass wir dem rechtskonservativen Wind in unserem Land eine mutige, progressive, linke Politik entgegenstellen müssen“, schreibt der 31-Jährige an sie. Mit einem Video wirbt er bereits auch online um Unterstützer.
„Er ist bei den Jungen sehr beliebt und kann neue Leute mobilisiern“, sagt ein Parteiinsider über Kraus. Dieser ist Sprecher der Grünen Andersrum Wien und gilt als Vertrauter der bisherigen FrontFrau Maria Vassilakou. Dass auch sie kandidiert, wird mit Kraus’ Bewerbung immer unwahrscheinlicher. Denn beide werden zum Realo-Flügel gezählt und würden sich gegenseitig Stimmen wegschnappen. Offiziell hat sich Vassilakou noch nicht dazu geäußert.
Nicht antreten will jedenfalls Landessprecher Joachim Kovacs. Wegen der Geburt seiner Tochter habe er sich jüngst eine Auszeit genommen, von der er nur für eine „geordnete Übergabe“zurückkehren werde, teilte er auf Facebook mit. „Ich habe mich dafür entschieden, dass hier meine grüne Reise endet.“Parteiintern galt er im Rennen um die Spitze zuletzt als wenig aussichtsreich.
Somit wird wohl Klubchef David Ellensohn Kraus herausfordern. Dem Vernehmen nach soll er demnächst seine Kandidatur bekannt geben. Der 55-Jährige gilt als Vertreter des linken Lagers. „Ellensohn ist ein alter Fuchs – er weiß, wie man mit der SPÖ verhandelt“, ist aus der Partei zu hören. „Aber er steht für das alte System.“
Koalitionszwist
Das Duell Kraus-Ellensohn ist für Politikberater Thomas Hofer ein realistisches Szenario. Die Leistung Vassilakous werde grün-intern unterschätzt, betont er. „Sie hat es über einige Zeit geschafft, die rebellische Landesgruppe zu domestizieren. Sie hat die Wiener Grünen koalitionsfähig gemacht“, sagt er. In der breiten Öffentlichkeit und bei der Basis habe die Vizebür- germeisterin aber Feuer auf sich gezogen – Stichwort Hochhaus am Heumarkt.
Ob eher Kraus oder Ellensohn eine erneute grüne Wahlschlappe verhindern könnte, kann Hofer nicht einschätzen: „Beide sind nicht rasend bekannt. Ellensohn hat mehr Erfahrung, was zugespitzte Kommunikation betrifft. Aber Kraus ist nicht zu unterschätzen. Er verkörpert die Zukunft.“Und wer käme der SPÖ gelegener? Der Koalitionspartner werde vorerst mit jedem Kandidaten das Auslangen finden, glaubt Hofer. Auf lange Sicht seien aber mehr Konflikte vorprogrammiert: „Der Neue muss Kante zeigen und sich positionieren – auf Kosten der SPÖ.“